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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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Zeit verplaudern wollte, sagte: »Moment, warten Sie einen Augenblick. Vielleicht kann ich Ihnen doch behilflich sein. Dieses Haus ist von oben bis unten voll von Psychiatern.«
    Mein Herz tat einen Sprung, wie immer, wenn dieser Beruf erwähnt wurde. »O ja«, sagte ich und hoffte, er würde das Zittern in meiner Stimme nicht bemerken.
    »Vielleicht wollte Sie einer meiner Kollegen sprechen«, sagte er. »Denken Sie einmal nach. Welche Psychiater kennen Sie denn so?«
    »Ich kenne nur einen«, sagte ich kurzatmig.
    »Wie heißt er?«, fragte er.
    »Gordon«, sagte ich, »Richard Gordon.«
    Es entstand eine Pause.
    Dann sagte er: »Na ja, damit dürfte die Sache also erledigt sein. Er hat Sie mit Sicherheit nicht angerufen.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte ich. Ich war wütend. Ich dachte: Ich weiß, dass er geheiratet hat. Was hatte das mit mir zu tun? Das ist passiert, nachdem er mich rausgeworfen hatte. Und natürlich hatte Leonie Beck nichts Eiligeres zu tun gehabt, als es mir brühwarm zu erzählen. Typisch für sie.
    Er sagte: »Er ist schließlich tot.«
    »Nein«, sagte ich. »Das ist nicht – sind Sie sicher?« Mein Herz schlug ruhig und gleichmäßig. Ich empfand nichts.
    »Aber Sie müssen es doch wissen«, sagte er, »es stand in allen Zeitungen.«
    »Ich lese nie Zeitung«, sagte ich. »Aber sind Sie wirklich sicher?«
    »Absolut sicher«, sagte er.
    »Aber er war doch viel zu jung, um zu sterben«, sagte ich, »er war erst – also – neunundvierzig.«
    »Stimmt«, sagte er.
    »Woran ist er gestorben?«, fragte ich. »Soweit ich weiß, hatte er keinerlei gesundheitliche Probleme.«
    »Ach, so was kommt eben vor«, sagte er liebenswürdig. »Aber Sie machen mich wirklich neugierig. Sie haben eine faszinierende Stimme. Ich würde Sie gern persönlich kennen lernen.«
    Ich lachte. »Ich komme bei Gelegenheit bei Ihnen vorbei, wenn ich meinen Kopf untersuchen lassen will«, sagte ich und legte auf.
    Ich rief Leonie Beck an.
    »Ich habe gerade erfahren, dass Gordon tot ist«, sagte ich.
    »Ach ja, der arme Richard«, gurrte sie weinerlich, »wussten Sie das denn nicht?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Aber Sie müssen es doch in der Zeitung gelesen haben«, sagte sie.
    »Ich muss es übersehen haben«, sagte ich. »Wie ist er denn gestorben?«
    »Es war ein doppelter Selbstmord, könnte man sagen«, sagte sie, »denn er nahm Gift und schnitt sich in der Badewanne die Adern auf. Die eigentliche Todesursache war Ertrinken.«
    »Wann ist es passiert?«, fragte ich.
    »Ach, es ist schon eine ganze Weile her«, sagte sie, »lassen Sie mich mal überlegen. Jetzt haben wir September. Es war um Weihnachten herum. Kurz vor oder nach Weihnachten. Ich weiß es nicht mehr genau.«
    »Es muss danach gewesen sein«, sagte ich, »weil ich ihn angerufen habe und mich mit ihm treffen wollte. Ich wollte ihn wegen eines Mannes, eines Amerikaners, um Rat fragen – wie auch immer, wir haben miteinander telefoniert. Und ich weiß mit Sicherheit, dass es der sechste Januar war, weil ich an dem Abend meine Cousine besucht habe, die nämlich Geburtstag hatte.«
    »Ja, Sie haben Recht«, sagte sie, »und es muss gerade ein, zwei Tage danach passiert sein. Weil wir alle erst dabei waren, uns nach den Festtagen und Neujahr wieder an den Alltagstrott zu gewöhnen.«
    »Warum hat er es getan?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, »aber seine alte Lehrerin – seine Analytikerin, zu der er wieder zurückgekehrt war – war gestorben, sie war sehr alt, um die achtzig. Aber das lag schon einige Zeit zurück. Ich bin davon überzeugt, wenn sie noch am Leben gewesen wäre, hätte sie ihn gestützt und ihm über diese Periode hinweggeholfen.«
    »Dann haben Sie also keine Ahnung, warum er es getan hat?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte sie und fügte dann mit Tränen in der Stimme hinzu: »Armer Richard.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Eins steht allerdings fest«, sagte sie mit festerer Stimme, »er hat es mit Sicherheit nicht im Voraus geplant. Er kann sich nicht lange mit dem Gedanken getragen haben. Weil er es nach dem Lunch getan hat. Und er hatte zwei Patiententermine für den Nachmittag. Er war ein äußerst gewissenhafter Mensch. Er hätte die Sitzungen abgesagt, wenn er es schon länger vorgehabt hätte.«
    »Ich verstehe«, sagte ich.
    »So ein brillanter Mann«, sagte sie, wieder in ihre tränenerstickte Stimme verfallend, »und so erfolgreich, war gerade dabei, sich eine wirklich gute Praxis aufzubauen. Und erst seit zwei

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