Gordon
abergläubische Überzeugung, dass die Sache nur dann einen guten Ausgang nehmen würde, wenn ich im Belgrave Park Hotel abstieg.
20. KAPITEL
V ON AUSSEN SAH DAS B ELGRAVE P ARK H OTEL unverändert aus; aber kaum hatte ich das Foyer betreten, erkannte ich es nicht wieder. Die viktorianische Ausstattung – die Vergoldung, der blaue Plüsch, die Lampen tragenden Bronzegöttinnen und die hohen fleckigen Spiegel, in denen sich diese gespiegelt hatten – war verschwunden. Ebenso war die hohe verschnörkelte Stuckdecke nicht mehr da, hinter einer schlichten, niedrigeren Decke verschwunden, die die Halle ihrer einstigen imposanten Geräumigkeit beraubte. Ich stand in einer modernen, einfallslos eingerichteten Lobby mit Kunstledersesseln und Tischen aus Marmor-Imitat. Es gab einen eigenen Schalter, an dem man Theaterkarten, und einen anderen, an dem man Stadtrundfahrten buchen konnte, und Neonpfeile wiesen den Weg in die Snackbar, den Grillroom und das Restaurant.
Ich war an einem Mittwochabend angekommen. Am Donnerstagmorgen rief ich bei Dr. Crombie an; er wohnte noch immer in der Harley Street, wie zu Gordons Zeiten. Wie oft und wie sehnsüchtig hatte ich die Adresse nicht schon nachgeschlagen, hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn aufzusuchen, mir dabei vorgestellt, welches Kleid ich dazu anziehen würde, und es nie gewagt, meine Idee in die Tat umzusetzen!
»Was ist, wenn er mich nicht empfangen will?«, dachte ich. »Er ist schließlich der König der Bloomsbury Clinic, er wird in jedem Buch zitiert, es ist nicht gerade so, dass er nur auf mich gewartet hätte. Er wird auf Monate hinaus keine Termine frei haben. Oder was ist, wenn er mich – kaum dass er mich sieht – wieder hinauswirft? Oder was ist, wenn er mich nur empfängt, wenn ich einen Brief meines Hausarztes vorweisen kann?«
Es meldete sich eine ältliche Frauenstimme.
»Dr. Crombie ist nicht zu sprechen«, sagte sie.
»Können Sie mir einen Termin geben?«, fragte ich.
»Nein, leider nicht«, sagte sie, »aber rufen Sie doch morgen noch einmal an, zwischen elf und zwölf. Wie war noch mal Ihr Name?«
Als ich auflegte, dachte ich: »Ich werde nie zu ihm durchkommen.«
Ich rief am nächsten Tag um halb zwölf an, und wieder meldete sich die ältliche Stimme.
»Der Doktor wird Sie am Montag empfangen«, sagte sie, »um zwölf Uhr mittags.«
Die folgenden drei Tage waren für mich eine einzige Tortur aus Zweifeln, Ängsten und Sorgen, die erst endete, als ich am Montag in den Warteraum geführt wurde.
Und hier erkannte ich zu meiner Belustigung Crombies Esszimmer wieder, wie ich es mir im Geist ausgemalt hatte; meine Fantasie war nicht sonderlich kühn gewesen: Ich hatte lediglich das typische Wartezimmer übernommen – mit dem großen ovalen Mahagoni-Tisch und den nachgemachten Chippendale-Stühlen –, das man in der ganzen Harley Street antrifft.
Ich trug etwas, was ich in den Tagträumen, in denen ich mir diese Situation vorgestellt hatte, nie vorgesehen hatte: ein schlichtes dunkelgrünes Wollkleid und einen Nerzmantel. Als mein Name aufgerufen wurde, zog ich den Pelz aus und legte ihn mir nachlässig über den Arm, eingedenk des Ausspruchs meiner Mutter: »Wenn du nicht imstande bist, einen Nerzmantel wie ein Stück Sackleinen zu tragen, bist du es nicht wert, einen zu haben.«
Die Sprechstundenhilfe führte mich zu einem Fahrstuhl, und wir stiegen im zweiten Stock aus; wir gingen einen ungewöhnlich langen Korridor entlang, und dann öffnete sie an dessen äußerstem Ende eine Tür und hielt sie mir auf. Ich trat ein und hörte die Tür einschnappen, als sie sie hinter mir schloss.
Ich blieb da, wo ich war, und sah Dr. Crombie an.
Er stand neben einem kleinen runden Tisch in der Mitte des großen Zimmers; als ich eintrat, legte er ein Buch aus der Hand. Er war ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte, und doch konnte ich jetzt, da ich ihn sah, nicht glauben, dass ich jemals gedacht hatte, er könnte anders aussehen. Er war ein ziemlich großer, sehr kräftig gebauter alter Mann, mit starken breiten Schultern und einer wuchtigen Brust. Sein in der Mitte gelichtetes weißes Haar bauschte sich an den Seiten seines runden blassen Gesichts. Er hatte eine von violetten Äderchen durchzogene gerade kurze Nase, sein Mund war rund und fest geschlossen wie eine Auster, und er sah mich, ohne zu lächeln, aber mit einem leicht vergnügten, erwartungsvollen Ausdruck, über den Rand seiner Brille an.
In seiner altmodischen
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