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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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Monaten verheiratet. Entsetzlich für die Frau. Wahrscheinlich hing das – könnte ich mir vorstellen – mit seinen Potenzproblemen zusammen. Natürlich haben Sie mir immer sehr Leid getan, solange Sie seine Freundin waren. Es muss sehr traurig für Sie gewesen sein.«
    »Ich bin mit ihm nie traurig gewesen«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie Sie auf diese Idee kommen.«
    »Doch, Sie müssen gelitten haben«, sagte sie mit einer Stimme voll mütterlicher Anteilnahme, »die Freundin eines impotenten Mannes zu sein ist immer schrecklich. Aber natürlich war er sehr amüsant. Gelangweilt hat man sich mit ihm nie.« Sie hielt inne. Ich hörte sie seufzen. Dann fügte sie hinzu: »Und Sie selbst waren nicht immer sehr – nicht, dass ich Ihnen das zum Vorwurf machen würde, das ist natürlich mehr als begreiflich –, aber wenn Sie ihn nicht wegen seines Versagens verspottet hätten, für das er ja nichts konnte, hätte er sich Ihnen gegenüber nicht so verhalten. Sie waren an dem Abend, als Sie zu mir kamen, in einem entsetzlichen Zustand. Jeder Mann kann gewalttätig werden, wenn man ihn wegen seiner Impotenz auslacht. Kein Wunder, dass er sie geschlagen und so übel zugerichtet hat!«
    »Hören Sie«, sagte ich, »jetzt, wo er tot ist, sollte ich es Ihnen besser ein für alle Mal sagen. Er war der potenteste Mann, den ich je gekannt habe.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte sie mit schmerzerfüllter Stimme. »Davon wusste ich nichts«, fügte sie gereizt hinzu.
    »Absolut sicher«, sagte ich, »es zog sich bei ihm immer ewig in die Länge, und ich dachte, er kommt nie zum Ende. Manchmal war es mehr, als ich ertragen konnte.«
    »Aber das ist ja auch nicht schön«, sagte sie in einem beleidigten Ton, »das muss ja entsetzlich für Sie gewesen sein.«
    »Ich habe mich damit abgefunden«, sagte ich.
    »Also«, sagte sie, noch immer beleidigt, »Sie erstaunen mich.« Und als ich nichts darauf erwiderte, fragte sie: »Sind Sie diesen Sommer an irgendeinem hübschen Urlaubsort gewesen?«
    Ich fand nie heraus, wer mich an dem Nachmittag angerufen hatte.
    Jetzt sah Crombie mich scharf an. »Wie haben Sie Richard eigentlich kennen gelernt?«, fragte er. »Es ist komisch, wissen Sie, ich habe seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht.«
    »Das ist mir unbegreiflich«, sagte ich. »Wie ist das nur möglich? Wenn ich daran denke – «
    »Ach ja«, sagte er, »ich verstehe Sie vollkommen. Richard wirkte auf Frauen sehr faszinierend. Sehr faszinierend.« Und er zog sich in die Ecke hinter der Couch zurück und lehnte sich, die Hände noch immer in den Taschen, gegen die Wand.
    »Wie haben Sie ihn kennen gelernt?«, wiederholte er.
    Ich sagte: »Er gabelte mich auf eine Weise auf, wie ich noch niemals vorher aufgegabelt worden war, und er belegte mich auf eine Weise mit Beschlag, wie es mir nie zuvor passiert war, und er behandelte mich auf eine Weise, wie mich niemand je behandelt hat, weder zuvor noch danach.«
    »Kannten Sie seine Frau?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich.
    Er kam aus seiner Ecke heraus und blieb vor der Couch stehen, den Blick auf das Fenster vor ihm gerichtet. Mir fiel auf, dass es keine Gardinen hatte und dass die Scheiben weiß gestrichen waren. Man konnte hier tun, was man wollte, und niemand würde etwas mitbekommen. Weder sehen noch hören, da dieses Zimmer am äußersten Ende des Korridors lag.
    Mit leicht zusammengekniffenen Augen und geschürzten Lippen sagte er: »Sie war – glaube ich – ein recht hübsches kleines Ding.«
    Ich dachte: Das genügt mir. Er hat sich klar genug ausgedrückt.
    Er trat einen Schritt zur Seite und setzte sich auf das aufgewölbte Kopfende der Couch. »Wissen Sie«, sagte er, »für Männer wie Richard gibt es immer nur eine wirklich wertvolle Frau im Leben. Nur eine.« Und er sah mich sehnsüchtig an.
    Er stand auf, ging in die Ecke zurück und lehnte sich wieder gegen die Wand. »Jetzt erzählen Sie mir, wie Sie ihn kennen gelernt haben«, sagte er.
    »Es war vor neun Jahren, im Juni«, sagte ich, und ich erzählte ihm vom Shepherds, von Gordons Fingern, die meinen Puls umklammert hatten, und wie ich mit ihm hatte mitgehen müssen. Ich überging unsere ganze Unterhaltung, erwähnte den Club in der Brook Street, sprang von da aus direkt zum müden staubigen Garten mit der Steinbank und schloss mit den Worten: »Ich habe mich schrecklich geschämt und über mich geärgert«, und dachte unbekümmert: Was macht es schon aus? Ich bin schließlich nicht hergekommen, um einen guten

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