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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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überhaupt eine Antwort geben konnte, und im nächsten Moment hatte einer der Lehrer eine dringende Mitteilung zu machen und bat um Ruhe.
    »Still!«, raunte jemand am Tisch. »Meister Rhaawaan kann sehr unangenehm werden.«
    »Und vor allem sieht er alles.«
    »Na ja, wir wollen mal nicht übertreiben.«
    »Psst!«
    Meister Rhaawaan war von riesenhafter, sehr korpulenter Gestalt, und sein schwarzer Bart reichte fast bis zum Bauchnabel. Über dem Bart trug er das Amulett des Hauses der Seher auf der breiten Brust. Er hob seine prankenartigen Hände, um seiner Forderung nach absoluter und sofortiger Ruhe noch einmal Nachdruck zu verleihen, und im nächsten Moment war es so still, als würden all die Ordensschüler den Atem anhalten.
    »Zwei Dinge möchte ich hiermit dringendst anmerken«, sagte Meister Rhaawaan, und hier und dort sah man einige schon fortgeschrittenere Schüler die Augen verdrehen oder gar die Worte des Sehermeisters mitmurmeln; offenbar benutzte er bei solchen Anlässen stets dieselben formelhaften Wendungen. »Die Schüler aus dem Haus des Schattens werden schärfstens ermahnt, die Schattenpfadgängerei nicht dazu zu benutzen, sich während der Ruhezeiten heimlich davonzumachen, um Zerstreuung in Estia oder Nemor zu suchen. Seid euch immer bewusst, dass sich euer Leben extrem verkürzt, wenn ihr die Schattenpfade beschreitet, denn die wenigsten von euch beherrschen die geistige Regeneration schon gut genug, um keinen dauerhaften Schaden davonzutragen, zumal derlei Eskapaden ja in einem Zeitraum stattfinden, der eigentlich der Sammlung der Alten Kraft gewidmet sein wollte. Also wenn ihr nicht früh als Greise enden wollt, lasst diesen verderbten Unsinn!«
    Er vollführte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf und zupfte sich den Umhang zurecht, der ihm auf der linken Seite ein Stück von der Schulter gerutscht war. »Und dann möchte ich die Angehörigen des Hauses eindringlich ermahnen, dem ich selbst angehöre. Ich schäme mich für die Verfehlungen dieser Schüler ganz besonders, und jeder soll wissen, dass ich mich persönlich beleidigt fühle und nicht davor zurückschrecke, dies die Betreffenden in den anstehenden Meister- und Vormeisterprüfungen auch deutlich spüren zu lassen!«
    Er atmete tief durch und ließ den Blick über die Anwesenden gleiten, so als wollte er als Nächstes einen der Schüler herauspicken, nach vorn zitieren und vor versammelter Mannschaft zur Verantwortung ziehen. Doch obwohl völlig offensichtlich war, dass er dies gern getan hätte, sah er doch davon ab. Stattdessen rief er mit dröhnender und von bedrängend intensiven Gedanken begleiteter Stimme: »Ich will nicht noch einmal erleben, dass sich Seher an Wettgeschäften beteiligen, wie sie leider auch in der Hafenstadt an der Ordensburg wohl nie ganz auszurotten sein werden! Diese Spiele mögen ja unter untalentierten Geschöpfen als Mittel der Zerstreuung noch eine gewisse Berechtigung haben, aber jedem auch nur ein wenig mit Magie begabten Geschöpf sollte es gegen die Ehre gehen, sich auf derartige Weise Vorteile zu verschaffen. Ich hoffe, dass dies jeder unter den Neulingen begriffen hat, denn ich werde in diesem Punkt von heute an keinerlei Nachsicht mehr üben!«
    Ein Raunen ging durch die Reihen der Schüler. Hier und dort fühlte sich der eine oder andere wohl in besonderer Weise angesprochen. Rhaawaan hatte jedoch nicht die Absicht, seine gerade begonnene Strafpredigt in einem Chor allgemeinen Gemurmels enden zu lassen. Mit einer unmissverständlichen Geste stellte er nochmals Ruhe her. »Manche unter euch haben vielleicht Gerüchte gehört hinsichtlich eines Vorfalls, der sich in der Kathedrale ereignet hat. Jenes Kunstwerk unter der Kathedralenkuppel, welches das Polyversum auf so eindrucksvolle Weise darstellte, hat bei diesem Vorfall Schaden genommen und muss wieder in Ordnung gebracht werden, sodass die Kathedrale vorläufig für alle Schüler gesperrt ist. Es tut mir leid, aber der Entscheidungskonvent hat aufgrund verschiedener Überlegungen beschlossen, dass bis auf Weiteres nur ausgebildete Meister den Altarraum betreten dürfen. Die Schwarzlichtsphäre konnte wiederhergestellt werden, aber sie ist noch nicht stabil genug, um Gefahren auszuschließen. Ich bitte also alle darum, sich im eigenen Interesse an dieses Verbot zu halten. Ansonsten könnte es sein, dass unsere Heiler in Zukunft allzu viel zu tun bekommen, wobei noch zu bemerken wäre, dass es trotz der mitunter erstaunlichen Fähigkeiten

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