Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
nehme an, dass man von euch Neuigkeiten über die Lage im Norden erwartet. Aber ihr werdet jegliche Bewaffnung ablegen müssen, ja, sogar jegliches Metallstück, das ihr bei euch tragt. Die Mitglieder des Basilisken-Königshauses können durch Blicke den Willen ihres Gegenübers brechen, ihn sogar erstarren lassen oder gar töten. Das einzige Mittel dagegen ist ein Metallspiegel. Würde der Blick des Basilisken-Königs reflektiert, bekäme er dessen Wirkung selbst zu spüren.«
»Dann habe ich für diese Maßnahme vollstes Verständnis«, mischte sich Torbas mit spöttischem Unterton ein.
»Am Hof ist daher sämtliches Metall verboten. Kein glänzender Silberschmuck, keine Haarspangen, keine Gürtelschnallen, keine Schwerter und keine Lanzen mit Metallspitzen, keine Harnische …«
Gorian sah zu dem Schlangenmenschen hin, der vom Hof gesandt worden war, und ihm fiel auf, dass er tatsächlich nicht ein einziges Metallstück am Körper trug.
Yvaan schien Gorians Gedanken zu erraten. »Die Palastwachen tragen Schwerter aus Obsidian.«
»Das bedeutet, es ist nicht ganz ungefährlich, dem Basilisken-König gegenüberzutreten«, stellte Sheera fest.
»Man ist in diesem Land der Ansicht, dass man einen Herrscher fürchten sollte«, erklärte Yvaan.
Eine Riesenlibellen-Gondel kam, um sie zum Palast-Turm des Königs zu bringen. Gorian musste sein Schwert, den Rächer und alles andere, was von seinem spärlichen Eigentum aus Metall war, ablegen und in der Gesandtschaft zurücklassen, darunter auch das Amulett mit Morygors Caladran-Rune, das Hochmeister Aberian bei sich getragen und mit einem Illusionszauber in seiner äußeren Erscheinung verändert hatte.
Thondaril sah dies, ließ sich das Amulett geben und betrachtete es eine Weile. Gorian brauchte ihm nichts zu erklären, Thondaril erkannte es trotz der veränderten Erscheinung mithilfe der Magie sofort wieder. »Wir hätten alle erkennen können, was mit Hochmeister Aberian los war, hätten wir richtig hingeschaut«, sagte er düster. »Aber wir ließen uns auf sehr einfache Weise täuschen, selbst erfahrene Meister!«
»Vielleicht wollten manche die Wahrheit gar nicht sehen«, gab Gorian zurück.
Die von der Riesenlibelle getragene Gondel brachte Meister Yvaan sowie Gorian und seine Gefährten zum Palast-Turm des Basilisken-Königs, der aus all den sich dem Himmel entgegenreckenden schlanken Bauwerken noch einmal ein ganzes Stück herausragte.
An seiner Spitze wurde der Turm breiter und hatte von seiner Form her Ähnlichkeit mit einer sich entfaltenden Blüte. Es gab dort einen Landeplatz für die Libellen-Gondeln, auf dem reger Betrieb herrschte.
Meister Yvaan und seine Begleiter stiegen aus, Gorian ließ staunend den Blick schweifen, und Torbas meinte: »Gegen die Baukunst der Basilisken wirken sämtliche Städte des Heiligen Reichs nur wie kleine Hüttendörfer.«
Schlangenmenschen-Diener brachten die Gruppe ins Innere des Palastes. Zunächst wurden alle noch einmal nach Metall durchsucht. Das übernahmen grobschlächtige Oger-Söldner.
»Man verlässt sich hierzulande ungern nur auf magische Mittel«, erläuterte Meister Yvaan.
Danach erfolgte eine Musterung durch einen geflügelten Basilisken, dessen Blick zwar nicht tödlich war, wie man es von den Mitgliedern des Königshauses berichtete, dafür aber jede Art von Metall zu erkennen vermochte, und war es noch so gut verborgen.
Der Basilisk gab in seiner zischelnden Sprache Anweisung, wie man sich aufzustellen hatte. Die Laute aus seinem Schnabel hätte keine menschliche Zunge nachzuahmen vermocht, aber durch die sprechenden Steine, die jeder der Gäste vor der Brust trug, wurde ihnen jedes Wort übersetzt; die Steine flüsterten es ihnen mit einer Gedankenstimme zu.
»Ich hoffe, die Dinger müssen wir nicht wieder abgeben«, äußerte Torbas.
»Untersteh dich«, mahnte Meister Yvaan. »Das sind Geschenke, und sie zurückzugeben wäre die schlimmstmögliche Beleidigung für unseren Gastgeber.«
Dann betraten sie den Thronsaal.
Der Basilisken-Herrscher saß auf einem Thron, der seinem Körperbau angepasst war. Sein Schlangenleib hatte fast die Dicke eines Wollnashorns, und der Hahnenkopf trug eine Krone, die allerdings kein Metall enthielt, sondern aus mit Edelsteinen besetztem Ebenholz bestand. Die roten Augen kennzeichneten ihn als Mitglied des Königshauses. Und vor diesen Augen nahm man sich besser in Acht.
Am Vorabend hatte Meister Yvaan davon berichtet, dass alle Basilisken, die solche
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