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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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verborgen zu sein.«
    Gorian ging zum Portal, durchschritt es und blickte sich um. Mit der Linken umfasste er dabei den Dolch namens Rächer, den er am Gürtel trug, stets bereit, die Waffe herauszureißen und auf einen Angreifer zu schleudern, falls dies notwendig sein sollte.
    Ein gutes Dutzend Eiskrähen kreisten in großer Höhe über der Lichtung, auf der der Tempel der Alten Götter stand. Dann senkten die Vögel plötzlich alle auf einmal ihre Flugbahn, so als würden sie von einem einzigen Willen gelenkt, sausten sehr dicht über das Tempeldach hinweg und stoben dann in alle Richtungen davon.
    Es war nicht erkennbar, ob sie irgendetwas bemerkt hatten, und Gorian hatte auch keine Ahnung, inwiefern diese Vögel eventuell in der Lage waren, magische Kräfte zu spüren.
    Ihn hatten sie jedenfalls ganz offensichtlich nicht bemerkt, obwohl Morygor ganz gewiss in jede Kreatur, die er ausgesandt hatte, ihn zu finden und zu töten, ein nachdrückliches Gedankenbild seiner Gesichtszüge und seiner Gestalt gepflanzt hatte, sodass ihn die Eiskrähen auf jeden Fall hätten erkennen müssen.
    Beliak trat ebenfalls ins Freie, rülpste ungeniert und sagte entschuldigend: »Dieser seltsame magische Sog wirkt sich offenbar auch auf die Verträglichkeit des Baumbrots aus.«
    »Mir hat es geschmeckt.«
    »Worüber grübelst du nach, Gorian?«
    »Ich frage mich, wie lange ich mich hier verbergen kann.«
    »Sei zufrieden damit, dass du bisher überlebt hast. Und sei nicht zu ungeduldig, was das Erreichen deiner größeren Ziele betrifft. Die Zeit ist vielleicht mehr auf deiner Seite, als du jetzt denken magst.«
    »So?« Er deutete zum Himmel, wo der Schattenbringer als dunkler Fleck die Sonnenscheibe verdüsterte, die milchig und kraftlos wirkte. »Nein, die Zeit arbeitet für Morygor. Denn wenn der Schattenbringer erst mal dafür sorgt, dass kein Sonnenstrahl mehr die Welt erwärmt, werden alle, die sich dem Herrn der Frostfeste vielleicht noch entgegenstellen könnten, elendig erfrieren.«
    Beliak ging auf diese unheilvollen Zukunftsvisionen nicht ein. »Eine Weile werden wir jedenfalls hierbleiben«, entschied er. »Die Frostkrieger werden ihre Kraft aufbrauchen, dann ziehen sie unverrichteter Dinge ab. Genau so wird es kommen.«
    Gorian lächelte matt. »Ich kann deinen Optimismus nicht teilen«, bekannte er.
    »Das ist schade«, meinte Beliak, den Blick hinauf zur Sonne mit ihrem dunklen Fleck gerichtet. »Wer gegen jemanden kämpft, der den Lauf der Gestirne beeinflussen kann, braucht nämlich Optimismus.«
     
    Die nächsten Stunden brachte Beliak damit zu, Vorräte zu sammeln und sie in den Tempel zu tragen. In erster Linie handelte es sich dabei um Beeren und ein paar kopfgroße Fladen an ungebackenem, frisch aus der Rinde gequollenem Baumbrot. Aber er schleppte auch Feuerholz herbei und Wasser, das er in Kürbissen transportierte, die in der Nähe wuchsen und die er mit seiner Axt halbiert und ausgehöhlt hatte.
    Er machte auf Gorian den Eindruck, als würde er sich mit dem Überleben in der Wildnis bestens auskennen. Und während er die Vorräte, das Wasser und das Feuerholz herbeischaffte, pfiff er vergnügt immerzu dieselben dissonanten Tonfolgen vor sich hin. Bei der Melodie handelte es sich um eines der berüchtigten Lieder der Adhe, wie er Gorian erklärte. Gorian kannte diese Lieder natürlich. Seit die ersten Adhe auf Nhorichs Hof eine Anstellung gefunden hatten, waren dort ihre schrägen Weisen zu hören gewesen, und Gorian hatte sich immer gefragt, wie es sein konnte, dass sich Wesen mit so großen und offenkundig auch guten Ohren wie die Adhe durch das völlige Fehlen jeglichen Sinns für Harmonie und Rhythmus auszeichneten.
    Gorian nutzte die Zeit, sich etwas in der Umgebung umzusehen. Tatsächlich wirkten viele Bäume, die in unmittelbarer Nähe der Lichtung wuchsen, sehr eigenartig. Sie sahen stark verwachsen aus, und so manches dieser Gewächse gehörte keiner Baumart an, die Gorian bekannt war. Offenbar gediehen einige Arten im Bereich des unsichtbaren Tempels, die von dessen magischer Aura auf irgendeine Weise in ihrem Wachstum begünstigt wurden.
    Schließlich konnte er der Versuchung nicht länger widerstehen, auch jene Stelle aufzusuchen, wo sein Vater offenbar die Überreste des Gargoyle vergraben hatte. Fast war es, als würden seine Schritte wie automatisch zu jenem Baum gelenkt, den man durch die Öffnung in der Tempelwand sehen konnte. Er ging in die Knie, blickte zurück zum Tempel und sah das

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