Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
gewartet zu haben. Das Haus des Schwertes und das der Magie hatten ihm einst den Meistertitel verliehen, und die Kraft beider setzte er kompromisslos ein. Mit einem Kraftschrei ließ er seine Klinge durch die Luft sausen, und immer wieder senste das scharfe Schwert auch durch die untoten Körper, fuhr durch Kniescheiben, durchtrennte mächtige orxanische Halsmuskeln und spaltete Schädelknochen.
Es waren kaum Schreie zu hören, doch bei den wenigen, die dennoch erklangen, schwang Überraschung mit.
Es dauerte nicht lange, und der fremde Ordensmeister hatte sie alle niedergemacht. Keinen ließ er entkommen, und selbst die am Boden zuckenden abgetrennten Schwertarme, deren Pranken sich noch um die Griffe ihrer Waffen krallten, zerteilte er mit wohlgezielten Hieben von grausamer Präzision.
Gorian erhob sich und ließ den Rächer in seine Faust zurückkehren. Der Ordensmeister mit dem dunklen Helm und dem ebenso schwarzen Umhang trat auf ihn zu und sah ihn mit ruhigem Blick an. Die Augen waren während des Kampfes vollkommen von Schwärze erfüllt gewesen, die sich nun verlor, sodass das Weiße, Iris und Pupille wieder zum Vorschein kamen.
»Ich hoffe, dir ist nichts geschehen, Gorian, Sohn Nhorichs«, sagte er.
»Ihr seid Meister Thondaril, nicht wahr?«
»Ich hätte geglaubt, ein dermaßen begabter Ordensschüler wie du brächte die geistige Disziplin für ein gutes Erinnerungsvermögen auf«, erwiderte Thondaril und nahm den Helm ab. »In diesem Fall jedoch hättest du deine Worte nicht als Frage zu formulieren brauchen.«
»Ich bin dem Verborgenen Gott sehr dankbar, dass er Euch gerade in dem Augenblick hierherführte, da ich Eurer Hilfe so dringlich bedurfte.«
Der zweifache Ordensmeister gab darauf keine direkte Antwort. Stattdessen rief er offenbar sein Pferd durch einen energischen Gedanken herbei, schwang sich in den Sattel und reichte Gorian die Hand. »Steig hinter mich auf. Mein Ross ist kräftig genug, um dich auch noch zu tragen. Wir müssen fort von hier. Und das so schnell wie möglich.«
Gorian zögerte einen kurzen Moment. Thondaril hatte ihn einen Schüler genannt, so als ginge er mit aller Selbstverständlichkeit davon aus, dass er dem Orden beitreten würde.
Schließlich ergriff er die Hand des Ordensmeisters und stieg hinter ihn in den Sattel.
Thondaril ließ sein nach den Regeln des Ordens ausgebildetes Streitross voranpreschen, und sodann war Gorian voll und ganz darauf konzentriert, keinen der tief hängenden Äste um die Ohren zu bekommen.
13
Schüler
»Du wirst dich entscheiden müssen«, erklärte Thondaril. »Und ich hoffe, dass du die richtige Wahl triffst.«
Den ganzen Tag über waren sie geritten, und erstaunlicherweise hatte das Streitross des zweifachen Ordensmeisters dabei nicht den geringsten Anflug von Ermüdung gezeigt. Nun saßen sie am Feuer und aßen von dem Proviant, den Thondaril mit sich führte. Auch wenn er ebenso ein Meister der Magie wie des Schwertes war, hatte das Fassungsvermögen seiner Satteltaschen nichts mit Zauberei zu tun, sondern ausschließlich mit der handwerklichen Begabung und dem Augenmaß jenes Sattlers, der sie angefertigt hatte.
Wo genau sie sich zurzeit befanden, wusste Gorian nicht. Während des Gewaltritts, der hinter ihnen lag, hatte Gorian jede Orientierung verloren. Jedenfalls aber befanden sie sich in einem Gebiet, in dem er noch nie gewesen war. Es schien ihm, als wäre Thondaril einen Bogen geritten und hätte dabei nach Möglichkeit dichter besiedelte Landstriche gemieden. Siedlungen hatte Gorian allenfalls aus der Ferne zu sehen bekommen.
Sie waren Richtung Nordosten geritten, aber den Seg hatten sie noch nicht erreicht, geschweige denn überquert, und so befanden sie sich also ganz sicher noch immer im Herzogtum Thisilien, so viel zumindest stand fest.
Zunächst hatte Thondaril eisern geschwiegen und Gorian nicht eine einzige der vielen Fragen beantwortet, die diesem unter den Nägeln brannten. Mehr als ein unwilliges, barsches Knurren war dem zweifachen Ordensmeister während des Ritts nicht zu entlocken gewesen, sodass es Gorian schließlich aufgegeben hatte. Erst seit sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, war Thondaril etwas zugänglicher geworden.
»Ich bin Euch sehr zu Dank verpflichtet, Meister«, sagte Gorian. »Wenn Ihr nicht zufällig des Weges gekommen wärt, wäre es um mich geschehen gewesen.«
»Es war kein Zufall, dass wir uns trafen«, eröffnete ihm Thondaril, während er auf einem Bissen Dörrfleisch
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