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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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bekämpft, wenn er Morygor in die Hände fällt.«
    »Ja, das ist wahr«, hatte ihm sein sehr nachdenklicher und in sich gekehrter Vater geantwortet, doch Gorian hatte sofort gespürt, dass dies nicht alles war, was Nhorich ihm darüber sagen wollte. Auf seiner Stirn hatte sich eine tiefe Furche gebildet, die seinem Gesicht einen Ausdruck tief empfundener Qual und purer Verzweiflung verlieh. Aber Gorian hatte geduldig abgewartet, bis Nhorich schließlich fortfuhr: »Das Schlimmste ist nicht, dass so etwas mit jenen geschieht, denen das Schicksal bestimmt hat, in die Gewalt des Feindes zu geraten …«
    »Was ist es dann, Vater?«
    Den Blick, mit dem Nhorich ihn angesehen hatte, sollte Gorian nie wieder vergessen. »Das Schlimmste ist, dass es auch mit solchen geschieht, die nie in Morygors Gefangenschaft gerieten, sondern sich ihm heimlich anschließen. Sie verändern sich auf gleiche Weise, werden zu bösartigen Kreaturen und tragen das Gift ihrer Gedanken seit langem in den Orden, sodass es dort wohl schon übermächtig geworden ist.«
    »Du sprichst von Spionen, Vater!«
    »Nein, ich spreche von etwas viel Schlimmerem und Niederträchtigerem. Sie Spione zu nennen wäre viel zu milde. Sie sind Diener des Bösen selbst, und unter einer gewöhnlichen Ordenskutte eines Heilers oder dem geschlossenen Helmvisier eines Schwertmeisters verbirgt sich mitunter eine Fratze, aus der Morygors verkommener Geist hervorschaut.«
    Gorian fiel dieses Gespräch wieder ein, während er den wabernden Nebelschwaden zusah, die aus dem Bach ans Ufer krochen. Immerhin war in dieser Nacht der Ruf einer Eule zu hören, was vielleicht als Zeichen gedeutet werden konnte, dass sich doch alles wieder normalisierte.
     
    Am nächsten Tag entdeckte Gorian den Kadaver eines Riesenelchs, der offenbar von einer Gruppe untoter Frostkrieger erlegt worden war, wie die großen, plumpen Orxanier-Fußspuren in der Nähe und rund um das eigentliche Geschehen zeigten. Das Fleisch des Elchs war anscheinend in großen Brocken aus dem Körper gerissen und roh verschlungen worden. Gut ein Drittel des Kadavers war auf diese Weise verzehrt worden, und dabei hatten die Frostkrieger ungeheuer viel Blut verspritzt. An manchen der Bäume in der Umgebung waren mit diesem Blut Zeichen gemalt worden. Sehr grob und hastig hatten die Orxanier diese Symbole, die Gorian nicht kannte, auf die Rinden geschmiert.
    In sehr ferner Zeit waren die Orxanier einmal dafür bekannt gewesen, rohes Fleisch zu essen, und soweit Gorian von Gaerth erfahren hatte, spielte dies auch bei vielen ihrer Riten immer noch eine wichtige Rolle: Rohes, blutiges Fleisch war für sie das Sinnbild für Lebenskraft schlechthin, auch wenn Gorian die Orxanier auf dem Hof seines Vaters immer nur gegartes Fleisch hatte essen sehen. Nur bei sehr seltenen Ritualen zur Heilung oder zur Totenbeschwörung wurde noch rohes Fleisch verzehrt, wie Gaerth ihm einmal erzählt hatte, ohne nähere Einzelheiten preiszugeben. »Darüber sprechen wir nicht mit Außenstehenden«, hatte der Orxanier damals gesagt. »Und dazu zählen in diesem Fall auch außenstehende Freunde.«
    Was immer auch die Frostkrieger mit dem rohen Elchfleisch getan hatten, es diente ihnen offenbar zur Anwendung einer Magie, die es ihnen womöglich erlaubte, auf sich gestellt und ohne die Unterstützung ihrer Herren etwas länger in diesem für sie viel zu warmen Land zu existieren.
    Diese herumstreunenden Untoten, die möglicherweise durch ihre Blutrituale und den Genuss des rohen Fleisches zu neuer Existenzkraft gelangten, waren vielleicht sogar noch unangenehmer, als wenn sie bloße Lakaien des Frostreichs geblieben wären.
    Gorian war jedenfalls gewarnt.
    In der Nacht kletterte er auf einen knorrigen Baum mit sehr dickem Stamm, der sich ungefähr in Kopfhöhe eines großen Mannes gabelte. Dort legte er sich hin und fiel in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.
     
    Gorian erwachte bei den ersten Sonnenstrahlen, die ihm durch die Baumkrone ins Gesicht schienen. Er fühlte, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte. Ein warmer Wind strich durch den Wald und wehte das durch Frogyrrs Frosthauch vorzeitig gefallene, noch grüne Laub vom Boden auf. Aber anders als in der Nacht waren keine Tier- oder Vogelstimmen mehr zu hören, dafür jedoch Laute, von denen Gorian zunächst glaubte, der Wind würde sie erzeugen. Dann aber erkannte er, dass es die gleichmäßige, röchelnde Atmung von mehreren Kreaturen war, die an einen rhythmischen Singsang

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