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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Wissens abgeschnitten zu sein, erschien ihm zunächst unerträglich.
    »Ahnst du jetzt, wie ich gelitten habe?«, fragte der Namenlose.
    »Ja.«
    »Und weshalb ich die Verbindung zum Reich des Geistes nie so radikal abbrechen ließ wie die zu meinem Volk?«
    »Auch das.«
    »Du scheinst sehr sensibel auf die Kräfte hier zu reagieren. Dabei sind dies nur die peripheren Abstrahlungen aus dem Reich des Geistes, und du bist nur ein sterblicher Mensch, und Menschenmagie reicht normalerweise nicht aus, um diese Dinge überhaupt wahrzunehmen.«
    Tatsächlich schienen Torbas und Sheera vollkommen unberührt davon zu sein, und das galt offenbar selbst für Meister Thondaril, der sich umdrehte und Gorian irritiert ansah.
    »Sie sehen die Runen nicht, sie hören die Gedankenstimmen nicht, und für sie hat sich die Zeit nicht in dem Moment gedehnt, als sich deine Seele schon halb verloren hatte«, erklärte der
Namenlose. »Bei den vergessenen Göttern der Caladran! Vielleicht habe sogar ich dich unterschätzt. Wie bedauerlich, dass du ein so kurzlebiges Wesen bist. Wie bedauerlich und was für eine Verschwendung von Talent an die Flüchtigkeit eines kurzen Lebens.«
    »Worauf wartet ihr?«, fragte Torbas, der sich ebenfalls zu ihnen umgedreht hatte und tatsächlich von alldem nichts mitbekommen zu haben schien.
    Der Namenlose sah Gorian ernst an. »Schirm dich ab, oder du wirst dich verlieren!« Und dann sprach er einige Worte in caladranischer Sprache. Eine Formel, die Gorian wohl dabei helfen sollte, der Macht zu widerstehen, mit der er soeben in Berührung gekommen war.
    Die Runen auf dem Marmorboden verblassten und verschwanden schließlich auch für Gorians Augen.
     
    Sie schritten durch eine weite Marmorhalle, an deren Decke sich bewegende Fresken zu sehen waren. Sie zeigten eine schier unendliche Zahl von Himmelsschiffen. Manche waren sehr klein und wirkten wie aus weiter Ferne, bei anderen, die sich weiter im Vordergrund befanden, war naturgetreu jedes Detail zu erkennen, selbst die Gesichter der Besatzungen.
    Auf den Säulen, die das Hallendach trugen, sah Gorian hin und wieder ein paar Runen aufleuchten.
    »Beachte sie nicht!«, wies ihn der Namenlose an.
    Schließlich gelangten sie in eine noch viel größere Halle – die eigentliche Halle des Geistes. In der Mitte befand sich ein ovaler Altar aus Stein, und darauf lag ein faustgroßer Kristall.
    Gorian spürte sofort, dass dieser Kristall das Zentrum dessen war, was die Caladran als das Reich des Geistes
bezeichneten. Für einige Augenblicke hörte er wieder die Stimmen, sah Runen auf den Marmorboden und den Wänden wabern, und er musste sich dazu zwingen, sie nicht weiter zu beachten.
    Es gab in der Halle des Geistes noch weitere Zugänge, durch welche die Schamanen und Magier sowie die Mitglieder des Kronrats strömten. Insgesamt handelte es sich um mindestens tausend Männer und Frauen. Dass es möglich war, so schnell eine derart große Anzahl von Personen zusammenzurufen, war wohl nur durch das ausgeklügelte System von Schächten zu erklären, in denen der Zauber der Gewichtslosigkeit wirksam war.
    Die Soldaten begleiteten die Truhe mit den gestohlenen Schriften bis vor den Altar. Dort verharrte sie schwebend. Auch sie war offenbar mit dem Zauber der Gewichtslosigkeit versehen, für dessen genaue Wirkungsweise sich Gorian inzwischen genauso brennend interessierte wie für die Caladran-Magie im Allgemeinen. Je mehr Einzelheiten er darüber erfuhr, desto mehr wurde ihm bewusst, wie überlegen diese besondere Art von Magie allem war, was menschliche Magiermeister je vollbracht hatten.
    König Abrandir schritt vor den Altar, während die Soldaten wieder zurücktraten. »Es wurde zurückgegeben, was gestohlen wurde – und es wird dem Reich des Geistes wieder hinzugefügt, was von ihm getrennt wurde«, sprach er, hob die Hände und streckte sie in Richtung des Kristalls aus. Dieser begann zu leuchten. »Öffne dich, Kristall des Wissens, Zentrum im Reich des Geistes, Schnittpunkt aller Möglichkeiten. Alles ist hier vereint: die Toten, die Lebenden und die Ungeborenen; das, was ist, was war und was sein könnte.«
    Ein Strahl aus grellweißem Licht traf die Truhe, die daraufhin
aus sich heraus zu leuchten begann. Selbst in dem kurzen Moment, da Gorian nur mit den Abstrahlungen dessen in Kontakt geraten war, was die Caladran ihr Reich des Geistes nannten, hatte er mehr erfahren, als er je über dieses Volk gewusst hatte. So wusste er auch, dass es sich bei jenen

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