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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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durchdringen. Auch das gehörte offenbar zu dem Wissen, das er bei seiner kurzen Berührung mit dem Reich des Geistes in sich aufgenommen hatte.
    Die Gestalt hob sich nicht mehr als dunkler Schatten gegen die Helligkeit ab, sondern war deutlich sichtbar.
    »Orawéen!«, entfuhr es ihm erstaunt. Ganz gewiss hatte er nicht damit gerechnet, dass die Königin selbst an seinem Lager saß, wenn er erwachte. Ein Heiler vielleicht, schließlich war der Ruf der Caladran auf diesem Gebiet geradezu legendär, aber nicht die erhabene Gemahlin von König Abrandir.
    »Wie geht es Euch, werter Gorian?«, fragte Orawéen. Sie trug ein anderes Kleid als bei der Begrüßung; es war weiß, aber aus einem ebenso fließenden Stoff und veränderte sich ebenfalls ständig. Doch diesmal waren es keine Bilder, die changierten, sondern Caladran-Runen, die sich immer wieder aufs Neue zu waagerechten oder senkrechten Zeilen zusammenfanden und manchmal auch kleine Kolonnen bildeten oder zu Ligaturen verschmolzen. Dabei änderte sich stets die Bedeutung dessen, was dort stand. Es erinnerte Gorian an die Runen auf dem Marmor.

    Orawéen lächelte. »Es war nicht meine Absicht, Euch zu verwirren«, sagte sie. »Euer Geist ist schon genug geprüft und beansprucht worden. Man sollte ihn nicht überreizen.« Sie strich sich mit einer beiläufigen Geste über das Kleid, es raschelte, und all die Runen lösten sich auf, sodass nichts weiter zurückblieb als eine schneeweiße Fläche. »Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet«, sandte sie ihm wieder einen Gedanken.
    Gorian erhob sich. Im ersten Moment fühlten sich seine Beine schwach an, aber diese Empfindung verflüchtigte sich rasch, als er nur ein wenig der Alten Kraft sammelte. Er sprach dazu ein paar Worte, eine Formel. Und erst da fiel ihm auf, dass die Königin in der Sprache der Caladran zu ihm gesprochen und er dennoch jedes Wort verstanden hatte. Es war ihm so selbstverständlich vorgekommen, dass er es gar nicht bemerkt hatte.
    »Es ist ein Glück, dass Ihr noch am Leben seid, werter Gorian«, sagte Orawéen. »Das Reich des Geistes gehört den Caladran; für alle anderen ist es sehr gefährlich, sich dorthin zu begeben. Euch muss der pure Leichtsinn getrieben haben, dass Ihr es versucht habt.«
    »Es war die pure Verlockung«, erwiderte Gorian. »Ich konnte nicht widerstehen, als ich die Kraft des Kristalls spürte.«
    »Dann werdet Ihr Selbstbeherrschung lernen müssen, Gorian. Aber vielleicht ist das zu viel verlangt für jemanden, dem nur ein so kurzes Leben vergönnt ist. Und wer weiß, vielleicht ist es gerade die aus Eurer Unerfahrenheit geborene Unberechenbarkeit, die Morygor so sehr fürchtet.«
    »Das mag sein.«
    »Tut mir einen Gefallen und tut das, was Ihr heute getan habt, nie wieder. Es würde Euch umbringen.«

    »Vielleicht aber würde ich beim zweiten Versuch auch sehr viel besser mit den Kräften zurechtkommen, die in dem Kristall wirksam sind. Ehrenwerte Orawéen, ich brauche dieses Wissen! Ich will die Magie der Caladran erlernen, denn nur so kann ich Morygors Schicksalslinie kreuzen und vielleicht Erdenrund retten.«
    Orawéen bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick. »Ihr scheint an Selbstüberschätzung zu leiden.«
    »Ich spüre, dass ich schon vieles an Wissen aus dem Reich des Geistes in mich aufgenommen habe. Wenn ich in mich hineinhorche, entdecke ich so viel Neues, was dort vorher nicht war.«
    »Ist Euch bewusst, dass auch Morygor die Verbindung zum Reich des Geistes nie wirklich abgebrochen hat?«
    »Der Namenlose Renegat hat es auch nicht vermocht«, erinnerte sich Gorian.
    Orawéen nickte, während Gorian ihrem Blick standhielt. Einem sehr prüfenden Blick, wie ihm durchaus bewusst war. »Morygor meidet das Reich des Geistes, damit niemand Rückschlüsse auf seine finsteren Pläne ziehen kann. Aber kein Caladran ist imstande, die Verbindung zum Reich des Geistes endgültig abzubrechen, auch wenn für ihn immer die Gefahr besteht, dass er etwas von sich selbst und seinen Gedanken und Absichten ungewollt preisgibt. Daher wissen wir auch, wie sehr Morygor Euch fürchtet. Mehr als alles andere auf der Welt. Aber bisher ist jener Schicksalsweg, auf dem Ihr ihm zum Verhängnis werden könntet, nichts weiter als eine Möglichkeit, die noch weit davon entfernt ist, Gewissheit zu werden.«
    »Das mag sein, und darum muss ich die Caladran-Magie so beherrschen wie einer aus Eurem Volk, denn nur dann kann ich Morygor auf Augenhöhe begegnen.«

    »So einfach

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