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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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    »Das hättest du nicht erwartet, mir hier zu begegnen«, sagte die Gedankenstimme des Jungen.
    Gorians erster Reflex bestand darin, sich sofort abzuschirmen. Auch wenn dies nur der Gedanke an ein früheres Selbst des Frostreich-Herrschers war, so musste er doch dessen Aura fürchten.
    Das Gesicht des Jungen verzog sich zu einem höhnischen Grinsen, und für einen Moment widerstritten in Gorians Seele die pure Furcht und die Begeisterung darüber, vielleicht mehr über Morygor zu erfahren.
    Aber konnte nicht all dies auch eine Falle sein? Er dachte an Sheera und wie verheerend offenbar schon eine kurze gedankliche Berührung mit dem war, was Morygor im Reich des Geistes hinterlassen hatte.
    Doch er entschied sich, das Risiko einzugehen – wobei er nicht hätte sagen können, ob es tatsächlich seine freie Entscheidung war oder ob er nicht etwa der Aura von Morygors Gedanken erlag.
    Er sah in rascher Folge Abschnitte aus dem Leben eines wissbegierigen Jungen, der mit großem Tatendrang in das Reich des Geistes eindrang. Die Magie der Himmelsschiffe interessierte ihn ebenso wie der Lauf der Gestirne und die Berechnung der Schicksalswege, und im Letzteren übertraf ihn niemand. Und er wuchs schnell. Die Caladran bestimmten die Geschwindigkeit ihrer körperlichen Reifung selbst. Der augenscheinlich Zehnjährige, der Gorian begegnet war, war in Wahrheit erst vier Jahre alt gewesen und hatte mit zwölf bereits die Gestalt eines jungen Mannes, in der er sich bis zu diesem Tag am liebsten zeigte, obwohl sie ganz sicher nicht mehr seinem tatsächlichen Aussehen entsprach.
    Schon mit diesem schnellen körperlichen und geistigen
Wachstum machte er unter den Caladran auf sich aufmerksam – denn normalerweise nahmen sich Caladran wesentlich mehr Zeit für ihre Reifung als etwa die kurzlebigen Menschen. Morygor aber konnte es nicht schnell genug gehen.
    Und er war fasziniert von den verfemten Ideen des Namenlosen Renegaten. Das Schicksal selbst bestimmen, die Gestirne lenken, anstatt sich von ihnen lenken zu lassen, die Welt prägend verändern, anstatt von den Umständen geprägt zu werden…
    »Ja, er ist mein geistiges Kind«, sagte die Gedankenstimme des Namenlosen.
    »Ist das die besondere Verbindung zwischen euch?«
    »Was Morygor heute tut, hat seine Wurzeln in meinen Ideen. Es hat lange gedauert, bis ich mir endlich eingestand, dass ich dafür mitverantwortlich bin. Er verändert die Welt nach seinem Willen und zerstört sie damit, macht sie zu einem Ort, an dem niemand leben kann, der nicht sein Sklave ist. Das war immer die größte Frage, die ihn umtrieb: Wo ist die Grenze der absoluten Macht eines Einzelnen? Kann ein Wille alles vernichten und alles neu entstehen lassen?«
    »Aber Ihr wolltet nicht, dass ich dies erfahre.«
    »Es wäre nicht nötig gewesen, dass du Zeuge meiner S chande wurdest.«
    »Warum ist es Eure Schande, wenn ein Nachgeborener Eure Ideen in das Gegenteil dessen verkehrt, was Ihr beabsichtigt habt, Namenloser?«
    »Du kennst das Reich des Geistes zu wenig, um das zu verstehen. Wärst du ein Caladran, wäre das anders. Auch wenn ich mich innerlich von diesem Volk getrennt habe und mich nie wieder selbst als Caladran bezeichnen werde, so blieb ich es in meinem Inneren doch mehr, als mir lieb ist. Aber nun richte den Blick
nicht auf die Vergangenheit, sondern auf das, was kommt. Sieh nicht auf Morygor und seine Macht, sondern auf dich selbst und das, was du bewegen sollst.«
    »Was ich bewegen soll ist ein Gestirn!« , gab Gorian zu bedenken.
    »Dennoch ist es möglich. Wenn du diese Überzeugung nicht gewinnst, wird sich diese Variante des Schicksals allerdings nicht erfüllen.«
    »Über ein Rätsel der Vergangenheit sollte ich noch Bescheid wissen …«
    »Folge meinem Rat!«
    »Wer ist der Maskierte?«
    »Er ist kein Caladran. Welche Spuren kann er also im Reich des Geistes hinterlassen haben?«
    Gorian spürte, dass etwas vor ihm verborgen werden sollte. Von Anfang an war dies der Fall. Je tiefer er in die Vergangenheit zurücksah, desto mehr Spuren schienen bewusst verwischt worden zu sein. Doch sie ganz auszulöschen war offenbar nicht möglich. Zu groß war der Respekt vor Andir dem Magier und der Idee der Freiheit des Geistes. Aber es gab viele Täuschungen und Ablenkungen, die den Suchenden von gewissen Gedanken fernhalten sollten.
    »Es ist wie beim Raub des Kristalls durch Caladir«, stellte er fest. »Niemand soll es erwähnen oder darüber nachdenken. Aber ich will die Wahrheit

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