Gorian 2
Schneideblätter stand in starkem Kontrast zu der Finsternis, die insbesondere unter der Kapuze herrschte und offenbar von keinem Lichtstrahl erhellt werden konnte.
»Du wirst doch sicher Verständnis dafür haben, wenn ich kein Risiko eingehe und die Kampfbedingungen so verändere, dass ich meinem zum Jähzorn neigenden Herrn mit Sicherheit einen Erfolg werde vermelden können.«
Mit diesen Worten hob der Alb den freien Arm, und eine Wolke aus schwarzem Rauch drang unter dem weiten Kuttenärmel hervor, schwebte auf die letzte noch brennende Öllampe zu und ließ sie verlöschen.
Nur noch Finsternis umgab Gorian, und das höhnische, siegesgewisse Lachen des Totenalbs dröhnte auf schmerzhafte Weise in seinen Gedanken.
Es ist der Geist, der sieht, nicht das Auge, erinnerte sich Gorian an eines der Axiome des Ordens. Die Sinne sind nur schwache Hilfsmittel des Geistes, dem allein die Erkenntnis vorbehalten ist …
Gorian bewegte sich nicht, stand wie erstarrt in der Dunkelheit, hielt den Griff von Sternenklinge mit beiden Händen umfasst, und wieder fiel ihm die völlige Geräuschlosigkeit in dieser absoluten und undurchdringlichen Finsternis auf.
Für das Auge undurchdringlich – aber nicht für den Strahl des Geistes, ging es ihm durch den Kopf.
Es gab nichts, was ihm seine Sinne in diesem Augenblick hätten vermitteln können. Und irgendwann würde die Axt, von der Dunkelheit verborgen, auf ihn zuschnellen, ihm den Schädel spalten, ohne dass ihm noch Zeit für einen Gedanken blieb.
Gorian fragte sich plötzlich, weshalb das eigentlich noch nicht geschehen war.
Dann aber rief er sich ins Gedächtnis, was er über die Natur der Totenalben gehört und gelesen hatte. Zum Beispiel, dass sie sich an der Furcht ihrer Opfer weideten. Ein düsteres, abartiges Vergnügen, das ihnen zusätzliche und ganz besondere Kräfte zuführte und nach dem sie süchtig werden konnten wie manche Menschen nach gegorenen Getränken, Rauchwerk oder den Säften der Mohnblüte.
»Ah, wie sehr sich der mächtige Morygor vor dir fürchtet – und als was für ein erbärmlicher Hund stehst du nun vor mir!«, verhöhnte ihn der Totenalb, der seine Freude schließlich nicht mehr für sich behalten konnte. »Ich muss gestehen, dass ich selten die Endlichkeit allen Seins und insbesondere eines Opfers so bedauert habe wie in diesem Fall. Aber kein Genuss währt ewig. Und im Übrigen bin ich meinem Herrn verpflichtet …«
Plötzlich riss Gorian sein Schwert empor, und hart krachte es mit der Klinge der Streitaxt zusammen, die der Totenalb schwang.
Auch das geschah völlig geräuschlos.
Ein paar Funken sprühten, als das Sternenmetall gegen die Axtklinge prallte.
Ein weiterer Hieb des Totenalbs folgte, doch auch den wehrte Gorian ab. Der dritte Hieb war so heftig, dass er ihm beinahe das Schwert aus der Hand prellte.
Er taumelte zurück und versuchte abzuschätzen, wie viel Raum wohl noch zwischen seinem Rücken und der Wand der Wohnhöhle lag.
Ein Schwall wütender und nicht mehr in Worte zu fassender Gedanken traf ihn. Der Totenalb schien die Erkenntnis nur schwer verdauen zu können, dass sein Opfer seinen Angriff vorhergesehen und pariert hatte.
Lass den Geist sehen und vergiss Augen und Ohren!, ging es Gorian durch den Sinn. Unter den besonderen Bedingungen
dieser Schattenwelt, in die ihn der Totenalb gezwungen hatte, war es zwecklos, sich in herkömmlicher Weise mit Magie und Schwert zur Wehr zu setzen. Er musste einen anderen Weg finden.
Er schloss die Augen. Drei Angriffen hatte er standhalten können …
Wieder attackierte ihn der Totenalb, genauso lautlos und unsichtbar wie zuvor. Aber diesmal begegnete ihm Gorian bereits mit sehr viel mehr Sicherheit. Es erinnerte ihn an die ersten, noch sehr spielerischen Kampfübungen, die sein Vater Nhorich mit ihm durchgeführt hatte. Übungen, bei denen er jene Kunst der Schwertmeister hatte erlernen sollen, sich geistig in den Gegner hineinzuversetzen und seine Handlungen vorauszuahnen.
»Stimmt es, dass einige Schwertmeister mit geschlossenen Augen kämpfen können?«, hatte Gorian seinen Vater damals gefragt.
»Von tausend Schwertmeistern vermag es nur einer«, hatte Nhorich geantwortet. »Meister Erian, dein Großvater, gehörte zu den wenigen. Ich habe ihm darin leider nie nacheifern können, obwohl er versucht hat, mir auch das beizubringen.«
»Stand Großvater denn besonders viel von der Alten Kraft zur Verfügung?«
»Auch das. Aber darauf kommt es nicht an.«
»Worauf
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