Gorian 2
Königstochter, und König Demris Gon strahlte eine Freude aus wie wohl seit vielen Jahren nicht mehr.
Die Königstochter hatte sich aufgerichtet, saß aufrecht im Bett, und die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden. Es quoll auch kein dunkles Blut mehr aus Mund, Nase, Ohren und Augen.
»Die Genesung Eurer Tochter ist eine Gnade des Verborgenen Gottes«, behauptete der Priester, dann sprach er mit der Königin ein Dankgebet.
Aarad legte der Königstochter nach Art eines Heilers die Hand auf die Stirn und konzentrierte seinen Geist auf die Erforschung ihres Gesundheitszustandes. Sein Urteil stand schon nach kurzer Zeit fest. »Sie trägt keine Anzeichen jener Krankheit mehr in sich, die sie so lange daniedergehalten hat«, verkündete der Gesandte des Ordens.
Der Ältere und der Jüngere Prinz hielten sich etwas abseits. Sie schienen beide noch nicht so recht zu wissen, was
sie von der plötzlichen Gesundung ihrer Schwester letztlich halten sollten. Gorian wusste nicht, ob nach dem Hausrecht der gryphländischen Königsfamilie eine weibliche Thronfolge möglich war. Er würde Aarad bei Gelegenheit danach fragen.
»Du hast offenbar etwas vollbracht, das sonst niemandem möglich war«, ergriff König Demris Gon das Wort und wandte sich dabei an Gorian. Dabei trat er ganz unköniglich an ihn heran und ergriff seine Hand. »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll!«
»Erfülle ihm alle Wünsche, die er fordert«, riet die Königin. »Und versichere dich auf Dauer der Dienste dieses jungen Mannes.«
»Das wird leider nicht möglich sein« entgegnete Gorian freundlich. »Aber ich bitte Euch erneut darum, uns die Reise nach Felsenburg zu gestatten und uns den Zugang zu den dort gelagerten Caladran-Schriften zu gewähren. Außerdem erlaubt uns bitte, zumindest eine dieser Schriften mit zu den Inseln der Caladran zu nehmen, um sie ihren ehemaligen Besitzern zurückzugeben.«
Auf einmal prägte wieder Unentschlossenheit die Züge des Königs. Sein Blick wurde unruhig, und schon an seiner Körperhaltung war abzulesen, wie ihn die innere Zerrissenheit erneut bedrängte. Er ließ Gorians Hand los und machte einen Schritt zurück.
»Ihr solltet zu Eurem Wort stehen, mein Gemahl!«, verlangte die Königin.
»Aber was, wenn ein weiteres dieser Schattenwesen unsere Tochter heimsucht? Etwa, um Rache dafür zu üben, dass ich mich mit dem Orden der Alten Kraft verbündete und seinen Mitgliedern ihre Wünsche gewährte? Ist das denn ausgeschlossen?«
»Sollte dies geschehen, dann sei es so«, mischte sich die Königstochter ein, und ihre Stimme klang überraschend fest, ihr Blick wirkte klar. »Vater, ich schwankte so lange am Rande des Grabes, dass ich den Tod nicht mehr fürchte. Jeden Schrecken, den ich noch erleiden könnte, habe ich in der Vergangenheit bereits erduldet.«
Einige Herzschläge lang sagte niemand ein Wort. Alle Augen waren auf den König gerichtet.
»Gut«, sagte Demris Gon schließlich. »Ruft meinen Sekretär. Ein entsprechendes Dokument soll ausgestellt und besiegelt werden!«
4
Der Flug nach Felsenburg
Erstaunlich schnell wurde das für den Flug nach Felsenburg nötige Dokument ausgestellt und mit dem Siegel des Königs versehen. Es enthielt die königliche Erlaubnis, Felsenburg überhaupt anzufliegen und dort zu landen, und wies den Verwalter der geraubten Caladran-Schriften an, Gorian und seinen Gefährten Zugang zu allen Räumlichkeiten und sämtlichen Schriftstücken zu gewähren, die in der im nordöstlichen Ödland gelegenen Burg aufbewahrt wurden. Zudem wurde darin bestätigt, dass sie das Recht hatten, mindestens eines dieser Schriftstücke auszuwählen und mitzunehmen.
»Der schon von meinem Vater eingesetzte Verwalter heißt Oras Ban«, erläuterte Demris Gon. »Er ist schon sehr alt, gilt als eigenwillig und nicht gerade umgänglich. Aber er untersteht meiner Befehlsgewalt und wird sich Eurem Willen fügen, wenn Ihr ihm dieses Dokument vorlegt. Doch um einen Gefallen bitte ich Euch.«
»Wenn wir ihn erfüllen können«, sagte Thondaril.
»Sagt ihm nicht, dass Ihr beabsichtigt, eine dieser Schriften als Zeichen des guten Willens und zur Schmiedung eines künftigen Bündnisses zu den Caladran zu bringen. Dafür hätte er keinerlei Verständnis und sähe es als tiefste Schmach für Gryphland an.«
»Wenn es uns möglich ist, werden wir es unerwähnt lassen«, versprach Thondaril.
»Natürlich stellt mein Gemahl Euch eine königliche Greifengondel samt Mannschaft und
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