Gorian 2
Ar-Don. »Es werde weitere kommen … viele … Ja, man wird ihre Zahl nicht erfassen können, und ihre Zerstörungswut wird keine Grenzen kennen …«
Aber wenn Gorian nicht all seine magischen Sinne vollkommen täuschten, freute gerade der letzte Umstand den Gargoyle ungemein.
»Lass uns bloß zusehen, dass wir von hier fortkommen!«, sagte Torbas in grimmiger Entschlossenheit.
Gorian hatte ebenfalls sein Schwert gezogen. Jederzeit konnte sich ein einzelner Feuerdämon aus dem Gesamtverbund lösen und einen Überraschungsangriff starten.
Die beiden Ordensschüler eilten über das Felsplateau und anschließend über einen schmalen Grat. Nebel stieg aus einzelnen Tälern auf, und manchmal zuckten in den dichter werdenden Schwaden Blitze, die nicht wie üblich von oben nach unten zuckten, sondern in genau umgekehrter Richtung. Blutrot schossen sie empor, setzten sich in den Dunstwolken fort, verzweigten sich dort und bildeten hin und wieder und für ein paar Augenblicke riesige Gestalten, die entfernt an Menschen erinnerten, mitunter aber auch Ähnlichkeit mit vielarmigen, spinnenähnlichen Ungeheuern hatten.
Ein Greifenschrei drang durch die kühle Morgenluft, und als Gorian und Torbas emporblickten, sahen sie die dunklen Umrisse des Flugtiers mitsamt dazugehöriger Gondel, die sich gegen die noch tief stehende Sonne abhoben.
»Das ist Centros Bal!«, rief Gorian erstaunt.
»Und ich brauche nicht mal irgendwelche magischen Sinne zu bemühen, um dir sagen zu können, dass sich Meister Thondaril in der Gondel befindet«, ergänzte Torbas. »Wie konnten wir auch nur für einen Augenblick annehmen, dass wir seiner Aufmerksamkeit für länger als eine Nacht entgehen.«
»Im Moment bin ich froh, dass wir uns in dieser Hinsicht getäuscht haben.«
»Wir werden erklären müssen, was mit Fentos Roon geschehen ist.«
»Ich weiß.«
»Oder besser gesagt: Du wirst es erklären müssen. Schließlich ist er dir gefolgt – so wie ich auch.«
Seilschlangen wurden herabgelassen, als sich die Gondel direkt über ihnen befand. Der Greif stand flatternd in der Luft, während sich Gorian und Torbas von den Schlangen umfassen und emporziehen ließen.
Sheera empfing sie an der offenen Gondeltür. »Seid ihr verletzt? Braucht ihr die Hilfe einer angehenden Heilerin?«
»Wir wohl nicht«, sagte Gorian. »Aber falls du in deiner bisherigen Ausbildung schon mal was über die Heilung von Gargoyles gehört hast, wäre deine Hilfe sehr willkommen.«
Sheeras Miene verdüsterte sich, als sie Ar-Don gewahrte, der sich nach wie vor an Gorians Rücken festklammerte. Er hatte dafür noch zwei zusätzliche und unterschiedlich lange Arme ausgebildet, doch nachdem Gorian ihn abgesetzt hatte, bildeten sich die überzähligen Gliedmaßen nach und nach zurück.
»Kein Heiler kann mir verlorene Kräfte zurückgeben«, sandte er einen Gedanken offenbar nicht nur an Gorian, sondern auch an Sheera. Zumindest schloss Gorian das aus ihrer Reaktion.
Sie sah Gorian an, berührte ihn leicht an der Schulter und antwortete ihm im Geiste: »Ich mache mir mehr Sorgen um dich als um diesen Stein.«
»Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Nein, das stimmt nicht.«
Sie legte die flache Hand genau an jene Stelle seiner Schulter,
wo er während des Kampfes am Speerstein von Orxanor durch seinen eigenen Dolch verletzt worden war. Gorian hatte nicht darauf geachtet, doch offenbar war die Wunde wieder aufgerissen und hatte erneut schwarzes Blut abgesondert. Sein Lederwams hielt das vor den Augen der anderen verborgen, aber Sheera erkannte es trotzdem.
Ihre Augen wurden vollkommen schwarz, so als würde sie die pure Finsternis, die mit dem schwarzen Blut förmlich aus seinem Körper quoll, in sich aufnehmen. Dann schloss sie die Augen. »Du bist mit einer Macht von sehr starker und sehr fremdartiger Magie in Berührung gekommen.«
»Das stimmt«, sagte er laut.
»Diese Wunde wird immer wieder aufreißen, Gorian.«
Ar-Don kauerte sich unterdessen in eine Ecke. Auf irgendeine Weise musste er weitere Körpersubstanz aufgenommen haben, denn war er früher zumeist so groß wie eine Katze gewesen, so hatte er jetzt die Ausmaße eines Hundes. Seine Oberfläche war grau wie Stein, so wie damals die Stücke, in die er zerschlagen gewesen war, als Gorian ihn von dem Bann seines Vaters Nhorich befreite.
»Keine Sorge!«, empfing Gorian einen von abgrundtiefer Boshaftigkeit geprägten Gedanken dieses Wesens, das so schwer einzuschätzen war. » Der Hass wird
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