Gorian 3
weilten, sollte sie sich nach dem Willen des neuen Hochmeisters an der Auswahl und Ausbildung des Ordensnachwuchses beteiligen. »Große Schlachten liegen vor uns«, hatte er zu ihr gesagt, »und unzählige werden an Leib und Seele verletzt werden. Wir brauchen jeden Meister eines jeden Hauses, vor allem aber Heiler, auch jene, die zwar das Talent haben, aber die dazugehörige Kunst noch nicht in aller Perfektion beherrschen.«
Meister Thondaril bestand auch darauf, dass Gorian ständig von ein paar Maladran begleitet wurde, die ihm als Leibwächter dienten. Die für diese Aufgabe ausgewählten Maladran waren sehr erfreut darüber, erlöste es sie doch von der Langeweile, die für sie an Bord der Hoffnung des Himmels herrschte.
Brass Telir, der Oberste Schamane der Caladran, stand den Maladran sehr skeptisch gegenüber, teilte aber die Ansicht,
dass es einem Wandler kaum gelingen konnte, einen der Vergessenen Schatten nachzubilden.
Meister Thondaril entschied, dass auch eine Gruppe Maladran das Haupttor der Siebten Burg bewachen und die Wachtürme besetzen sollten.
»Tut Ihr das nur, weil Ihr glaubt, dass wir eine Beschäftigung brauchen, mein Fürst?«, wandte sich Eldamir an Gorian, der die Order des Hochmeisters an die Maladran weitergegeben hatte, denn schließlich gehorchten sie nur ihm allein; er und sonst niemand war ihr Fürst, dem sie folgten.
»Ich erteile euch diesen Befehl, weil es niemanden gibt, der für diese Aufgabe besser geeignet wäre.«
»Ihr seid unser Fürst, und wir sind Euch treu ergeben«, antwortete ihm der Blinde Schlächter. »Aber wenn Ihr glaubt, dass Ihr mit einer solchen Aufgabe unseren Blutdurst zu mindern vermögt, so irrt Ihr Euch. Wir sehnen uns nach richtigen Kämpfen und vertrauen darauf, dass Ihr uns bald gegen den Feind führen werdet.«
»Das wird schneller geschehen, als uns lieb sein kann«, befürchtete Gorian.
»Unsere Ungeduld ist groß, mein Fürst. Und sie wächst täglich.«
»Dann bezähmt sie, Blinder Schlächter!«, verlangte Gorian, und der Ärger, mit dem er diese Worte sprach, wurde von dem Maladran durchaus registriert. »Ihr seid aus der Sphäre der Toten ins Diesseits gekommen. Eigentlich hättet ihr in jener anderen Welt das Warten lernen müssen. Falls das nicht geschehen sein sollte, holt dies so schnell wie möglich nach!«
»Wie ich gehört habe, sagt man Euch nach, dass auch in Euch die Ungeduld brennt«, entgegnete Eldamir und verzog dabei sein Gesicht zu einem Lächeln, das so schauderhaft war, dass Gorian am liebsten den Blick abgewandt hätte.
»Und ich bezähme sie«, erklärte Gorian. »Nehmt euch also ein Beispiel an eurem Fürst, dem ihr so treu ergeben seid!«
Gorian betrat einen großen hallenartigen Raum im Westflügel der Siebten Burg von Nelbar. Meister Shabran wartete dort bereits auf ihn. Das Licht fiel durch eine Reihe hoher Fenster, und die Gestalt des Schattenmeisters hob sich dunkel dagegen ab.
»Jeden Tag haben wir die Grundlagen geübt, heute werden wir die erste Reise unternehmen«, kündigte Shabran an. »Du wirst dich dabei geistig disziplinieren, mit den Formeln, die wir auch bisher angewandt haben. Denn nur so kannst du auf denselben Schattenpfaden wandeln wie ich und mir folgen.«
»Ja, Meister.«
»Hör auf damit. Ich bin nur ein paar Jahre älter als du!«
»Und doch bist du mir anscheinend in allem, was die Schattenpfade betrifft, meilenweit voraus.«
Shabran lächelte. »Das ist ein schönes Wortspiel.«
Doch Gorian blieb ernst. »Meine eigene Unzulänglichkeit in dieser Hinsicht habe ich nie so stark empfunden wie jetzt.«
»Eine solche Erkenntnis sollte immer ein Ansporn zum Lernen sein, sie darf einen nicht entmutigen.«
»Genauso sehe ich es auch.«
Shabran trat näher. Er trug den schwarzen Umhang der Schattenmeister und an der Seite seine schmale, leicht zu führende Klinge. Er überkreuzte die Arme und ballte die Hände zu Fäusten. »Nichts verlangt so viel geistige Disziplin, als wenn man sich in der Unendlichkeit von Raum und Zeit bewegt. Das sollte man sich stets vor Augen halten, wenn man auf diese Weise reist.«
»Raum und Zeit?«, fragte Gorian nach.
»Aber gewiss. Beides gehört zusammen und ist nicht voneinander
zu trennen. Alle diejenigen mussten das schmerzlich erfahren, die unvorsichtig waren, ihre Kräfte falsch einschätzten und vorzeitig gealtert aus den Schattenpfaden zurückkehrten. Oder gar nicht.«
»Eigenartig. Deine Worte erinnern mich sehr an das, was ich über die Magie
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