Gorian 3
Gorian noch einmal in Gefahr brachte. Wolken aus Staub stiegen vom Gipfelplateau auf und hüllten den Ort ein, an dem die Singenden Säulen gestanden hatten. Ein dichter Strom durchscheinender Al-Pan-Geister drang daraus hervor.
Ihre Gedanken waren voller Wut, Hass und Rachegelüste. Und all das entsprang ihrer namenlosen Furcht und dem Entsetzen, das sie empfunden hatten, als der fallende Stern die Schmetterlingsstadt zerstörte. Diese besonderen Umstände mussten es letztlich sein, die ihre Geister nicht hatten zur Ruhe kommen lassen. Lange hatten sie im Gestein des Gebirges geschlummert, verschüttete Seelen voller Angst und Zorn.
Ein grelles Leuchten umflorte die geisterhaften Al-Pan. Sie stürzten sich zu Abertausenden auf den riesenhaften Eisdrachen, und wann immer einer von ihnen dessen eisige Körperoberfläche berührte, zischte es, und Wasser lief in Strömen herab. Ein unheimliches Feuer brannte in ihnen. Die Wut, mit der sie Kemroor attackierten, stand im krassen Gegensatz zu der anmutigen, schmetterlingshaften Gestalt der Al-Pan.
Immer mehr dieser Geister schossen auf den Eisdrachen
zu, manche so schnell, dass sie nur noch als farbig aufleuchtende Spur zu erkennen waren, ehe sie ihren Platz auf dem Rücken oder am Hals der Kreatur fanden.
Keiner der Eisdrachenläufer kam Kemroor zu Hilfe. Eine eigenartige Starre hatte sie erfasst. Erst als auch einige von ihnen von den Al-Pan-Geistern angegriffen wurden, liefen sie davon. Nicht alle schafften es, den wütenden Schmetterlingsabkömmlingen zu entkommen. Zu Dutzenden stürzten sich die Geister auf sie, bohrten ihre durchscheinenden Arme in die Eiswesen und brachten sie zum Schmelzen.
Auch Gorian und Meister Shabran wurde von den Al-Pan attackiert. Deren Hass richtete sich auf alles, was in irgendeiner Weise mit Magie zu tun hatte.
Gorian hob eine Hand und wehrte den Angriff durch eine gezielte Entladung magischer Kräfte ab. Gedankenschreie dröhnten dem jungen Schwertmeister schmerzhaft im Kopf, so heftig, dass er taumelte.
Shabran schien es ähnlich zu ergehen.
Unterdessen schmolz der Eisdrache immer mehr zusammen, gefror dabei wieder und schmolz erneut. Er wurde schließlich zu einem unförmigen Klumpen Eis, und das unheimliche Leben, das ihn beseelt hatte, verlosch ebenso wie die Geister der Al-Pan, die nach und nach einfach verblassten, nachdem sie ihren Zorn gestillt hatten. Es waren ruhige Gedanken, die zuletzt von ihnen ausgingen, stellte Gorian fest. Gedanken, die keine besondere Bedeutung hatten und sich weder in Worte noch in Bilder fassen ließen.
Der von Staub umnebelte Gebirgsgipfel leuchtete inzwischen blutrot. Plötzlich zuckten Blitze aus der Staubwolke, Donner grollte, und um zu erkennen, dass dies kein gewöhnliches Gewitter war, brauchte man weder ein Schamane der Caladran noch ein Magiemeister des Ordens zu sein.
»Verschwinden wir von hier«, sagte Meister Shabran, als er in der Nähe einen untoten Orxanier auf seinem Wollnashorn heranpreschen sah, der einen langen Rundbogen abschoss.
Der Pfeil hatte Gorian treffen sollen, jagte aber durch ihn hindurch, als sich der junge Schwertmeister in einen Wirbel kleinster Rauchteilchen auflöste.
Gorian und Shabran verstofflichten an Deck eines der Himmelsschiffe, von denen aus die Caladran das Geschehen am Boden beobachtet hatten. Es war jenes Schiff, das sich außerhalb des Banns gehalten hatte, und hieß Wächter des Caladir . Es war nicht einmal halb so groß wie das Flaggschiff der Caladran-Flotte.
Der uralte Meister Morgun, der das Massaker im unterirdischen Gewölbe der Siebten Burg mit viel Glück überlebt hatte, stand auf dem Achterdeck, neben dem Steuermann und dem Kapitän des Schiffes, den Gorian nur flüchtig kannte, von dem er aber wusste, dass sein Name Odranawil war und er das besondere Vertrauen des Caladran-Königs Abrandir genoss.
»Seid gegrüßt, ehrwürdiger Meister«, erwies Gorian ihm die Ehre.
Auch Shabran verneigte sich tief, fragte dann aber verwundert: »Ihr tut hier Euren Dienst?«
Der Magiemeister machte ein sehr ernstes Gesicht, und das hintergründige Lächeln, das zuvor seine Züge geprägt hatte, war verschwunden. »Wir sind nicht mehr viele. Vor allem an Magiemeistern, die ihre Kunst mit der nötigen Macht auszuüben vermögen, fehlt es uns. So kam ich nicht umhin, mich an der Überwachung des Bannes zu beteiligen.« Er wandte sich Gorian zu, musterte ihn eine Weile lang, und
Gorian erschauderte vor Ehrfurcht unter dem durchdringenden Blick
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