Gorian 3
durch die Luft geschleudert und landeten in der weißen Ödnis.
Die orxanischen Untoten überstanden den Sturz deutlich besser als ihre Reittiere und versuchten sich schleunigst in Sicherheit zu bringen, wobei mehrere Armbrustbolzen auf den Leviathan und seinen neuen Reiter abgeschossen wurden,
jedoch ohne Gorian zu treffen oder bei dessen Reittier sichtbare Wirkung zu erzielen.
Der Leviathan öffnete erneut sein Maul, und Gorian sorgte dafür, dass er aus Leibeskräften zu blasen begann. Ein sturmähnlicher Luftstrom fegte die Untoten, die noch anzugreifen versuchten, davon. Schnee wurde aufgewirbelt und machte es kaum noch möglich, irgendetwas in einem Umkreis von zweihundert Schritten zu sehen.
Gorian ließ den Leviathan weiter über das Eis kriechen und jener Anhöhe entgegenstreben, wo er Sheera und die Maladran zurückgelassen hatte. »Komm!«, wandte er sich mit einem sehr drängenden Gedanken an seine Gefährtin. »Steig auf!«
»Glaubst du, dieser Riesenwurm lässt sich das gefallen?«
»Er hat keine Wahl.«
»Und ich wohl auch nicht.«
»Vertrau mir. Er gehorcht mir.«
Der Leviathan rauschte regelrecht auf Sheera zu. Der Boden erzitterte unter seinem gewaltigen Körper. Dort, wo der Schnee noch nicht zu Eis gepresst war, drückte das wurmähnliche Ungetüm eine mehr als hüfthohe Schneise hinein.
Sheera lief auf das riesige Tier zu. Dessen Haut war von tiefen Poren durchzogen, die sich hervorragend eigneten, um daran hinaufzusteigen und sie als Tritte zu benutzen. Etwas Magie benutzte Sheera trotzdem, um schneller nach oben zu gelangen. Der Leviathan verlangsamte zwar seine Geschwindigkeit, machte aber nicht halt.
»Eine Seilschlange wäre jetzt nicht schlecht«, dachte Sheera, als sie schließlich auf dem Rücken des Leviathans angelangt war.
»Das nächste Mal werde ich daran denken«, versprach Gorian.
Sie kam zu ihm, und er riet ihr: »Nutz die Magie, um dich zu halten.«
»Du traust deiner Autorität über den Leviathan doch nicht so ganz«, sagte sie laut.
»Der schon. Aber dem Leviathan nicht. Es kann immer geschehen, dass er eine plötzliche Bewegung macht, sodass man ohne Magie eine Galeerenlänge weit in den Schnee geschleudert wird.«
»Und anschließend von einer Eislawine begraben wird, die dieser Koloss zur Seite drückt, wenn er richtig wild wird.« Sheera sah zu Beliak hinüber, der sich noch immer bemühte, sich aus seiner magischen Fesseln zu befreien.
»Das ist ein Untoter!«, stellte sie überrascht fest.
»Ich weiß. Aber er ist auch ein Freund.«
»Ein Freund, den du magisch fesseln musst?«
»Er hat mir das Leben gerettet, und jetzt rette ich vielleicht seines – zumindest das, was davon noch übrig sein mag.«
In diesem Moment gelangten auch die Maladran oben auf dem Rücken des Leviathans an.
»Die habe ich nicht eingeladen!«, stellte Gorian mit einem Gedanken gegenüber Sheera klar.
»Ich fürchte, die brauchen keine spezielle Einladung von dir.«
Gorian nahm eine sitzende Haltung ein und umfasste den Griff von Sternenklinge nur noch mit einer Hand.
»Wahrlich, wir haben den richtigen Anführer erkoren!«, rief Eldamir. Der Blinde Schlächter ließ sich neben Gorian nieder, und auch der Krieger mit den Schattenflügeln nahm ganz in der Nähe Platz.
Sämtliche Maladran kletterten nach und nach auf den Rücken des Leviathans. Ein Heer untoter Schatten aus der fernen Vergangenheit der Caladran, die Gorian nun anführte. Das immerhin hatte er inzwischen mit Morygor gemeinsam,
ging es ihm schaudernd durch den Kopf: vom Erwählten des Schicksals zum Fürsten der Untoten – kein Aufstieg, der ihn mit Stolz erfüllte.
»Ich habe immer noch nicht deinen Namen gerufen, Blinder Schlächter«, sagte er laut.
»Wir brauchen deine Führung und du unsere Unterstützung im Kampf, das ist so sicher wie nur irgendetwas. Warum sträubst du dich also?«
Gorian vernahm den Chor der Gedanken und Stimmen der Maladran. Furcht und Ehrfurcht hielten sich darin die Waage.
»Ihr seid stärker, als ich dachte, Fürst«, äußerte Eldamir, und es fiel Gorian auf, dass der Blinde Schlächter erstmals eine von mehreren Höflichkeitsformen verwendete, die die Sprache der Caladran kannte. »Den Geist eines so großen Geschöpfs zu beherrschen ist nicht leicht.«
»Morygor beherrscht Tausende davon gleichzeitig«, erwiderte Gorian.
»Ihr könnt Euch nicht mit Morygor vergleichen, mein Fürst.«
»Nein?«
»Noch nicht. Außerdem hat er Euch gegenüber den Vorteil eines langen
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