Gorki Park
werden Sie bleiben?«
»So lange wie die Vernehmungsoffiziere.«
»Sie haben nur ein Hemd zum Wechseln mitgebracht - das reicht nicht lange«, stellte Arkadi fest.
Pribluda nickte und reinigte weiter seine Waffe. Er schwitzte in der Sonne. Er hatte sich nicht einmal die Ärmel aufgekrempelt; aber er arbeitete so sorgfältig, dass keine Gefahr bestand, dass sie Ölflecken bekommen würden.
»Welche Aufgabe haben Sie, wenn Sie mich nicht vernehmen sollen?« fragte Arkadi.
Pribluda setzte wortlos seine Pistole zusammen. Arkadi beobachtete ihn dabei.
»Sie haben den Auftrag, mich zu erschießen, Major. Geben Sie’s zu - Sie haben sich freiwillig gemeldet!«
»Sie sprechen sehr leichtfertig über Ihr Leben.« Pribluda begann, die Patronen wieder ins Magazin zu drücken.
»Aber nur, weil es sehr leichtfertig behandelt wird. Wie ernst soll ich bleiben, wenn Sie mich erschießen, sobald Sie kein sauberes Hemd mehr haben?«
Arkadi glaubte nicht, dass Pribluda ihn erschießen würde. Der Major hatte sich zwar sicher freiwillig dafür gemeldet und wäre bestimmt auch bereit, einen entsprechenden Befehl widerspruchslos auszuführen, aber Arkadi glaubte nicht, dass es dazu kommen würde. Als die Vernehmungsoffiziere und Pribluda am nächsten Morgen mit dem Auto zur Piste hinausfuhren, folgte Arkadi ihnen einen Kilometer weit zu Fuß. Er kam gerade rechtzeitig, um zu beobachten, wie Pribluda erregt auf die schon im Flugzeug sitzenden Vernehmungsoffiziere einredete. Die Maschine startete ohne ihn, und er stieg bedrückt in den Wagen. Als der Fahrer Arkadi fragte, ob er mit zurückfahren wolle, antwortete Arkadi, er gehe bei diesem herrlichen Wetter lieber zu Fuß.
Arkadi und Pribluda aßen an dem einzigen vorhandenen Tisch im Speisesaal, dessen übrige Einrichtung unter geisterhaften Schonbezügen steckte. Arkadi beobachtete den Major interessiert. Ein Mann, der erschossen werden soll, betrachtet den Schützen stets mit großem Interesse, und da der Todesschuss vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben war, hatte Arkadi Gelegenheit, seinen zukünftigen Scharfrichter eingehend zu studieren.
»Wie wollen Sie mich erschießen? Von hinten, von vorn? In den Kopf oder ins Herz?«
»Durch den Mund«, antwortete Pribluda.
»Im Freien? Oder im Haus? Das Bad lässt sich am leichtesten saubermachen.«
Der Major schenkte sich mürrisch ein Glas Limonade ein. Im ganzen Haus herrschte striktes Alkoholverbot und Arkadi war der einzige, der nicht darunter litt. Wenn die Wachen tagsüber Volleyball gespielt hatten, spielten sie bis spät in die Nacht hinein Tischtennis, um schlafen zu können.
»Bürger Renko, Sie sind kein Chefinspektor mehr, Sie sind ein Nichts! Ich kann Ihnen einfach befehlen, den Mund zu halten.«
»Andersherum wird ein Schuh daraus, Major. Da ich ein Nichts bin, brauche ich Ihnen nicht mehr zuzuhören.«
Ihm fiel ein, dass Irina sich ihm gegenüber einmal ähnlich geäußert hatte. Alles eine Frage des Standpunktes!
»Sagen Sie, Major«, fragte er, »hat schon mal jemand versucht, Sie umzubringen?«
»Nur Sie.« Pribluda schob seinen Stuhl zurück und ließ das Essen stehen.
Aus Frustration begann Pribluda im Garten zu arbeiten. Nur mit Unterhemd und bis zu den Knien hochgerollten Hosen bekleidet, rupfte er Unkraut.
»Um diese Zeit kann man nur noch Radieschen säen, aber man tut, was man kann.«
»Wie hoch ist Ihre Norm?« fragte Arkadi von der Veranda aus. Er kniff die Augen zusammen und suchte den Himmel nach dem aus Moskau zurückkehrenden Flugzeug ab.
»Das ist keine Arbeit, sondern ein Vergnügen«, beteuerte der Major. »Das lasse ich mir von Ihnen nicht verderben. Da, riechen Sie mal!« Er hielt Arkadi eine Handvoll der torfigen Erde hin. »Auf der ganzen Welt gibt’s keine Erde, die wie unsere riecht.«
Der Himmel war leer, und Arkadi betrachtete wieder Pribluda und seine Handvoll Erde. Die Geste erinnerte ihn an die Szene, als der Major im Gorki-Park die drei Ermordeten untersucht hatte. Arkadi dachte wieder an Pribludas Opfer an der Kliasma. Aber hier waren sie auf dem Land: Arkadi mit Operationsnarben auf dem Unterleib, und Pribluda beim Anlegen eines Gemüsebeets.
»Man hat Jamskois Geld gefunden - das hält alles auf«, vertraute Pribluda ihm an. »Sie haben seine Datscha in ihre Einzelteile zerlegt und das ganze Grundstück umgegraben. Das Geld war unter einem Schuppen am See versteckt. Jamskoi hat ein Vermögen zusammengerafft, obwohl ich nicht weiß, warum er sich diese Mühe gemacht
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