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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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politischer Egoist zu sein, sind Sie in eine wichtige Position aufgestiegen.
    Nach tapferem Kampf gegen einen mächtigen Vorgesetzten haben Sie sich mit dieser Frau eingelassen und gemeinsam mit ihr versucht, wichtige Tatsachen geheim zu halten. In welchem Verhältnis hat sie zu Osborne gestanden? Was hat sich zwischen Ihnen und dem amerikanischen Geheimdienstmann William Kirwill abgespielt? Warum haben Sie Osborne abfliegen lassen? Ich habe Ihre Antworten gehört. Ich glaube, dass der gesunde Teil Ihres Ichs mir die Wahrheit sagen will und dies bei entsprechender Behandlung wohl auch tun würde. Aber das wäre nicht der Mühe wert. Wir haben die wahren Antworten. Weitere Vernehmungen dieser Art würden lediglich dazu führen, Ihr übertriebenes Selbstwertgefühl weiter zu stärken. Wir müssen an das Gemeinwohl denken. Deshalb werde ich empfehlen, an Ihnen ein Exempel zu statuieren - und das so schnell wie möglich. Bevor ich nach Moskau zurückkehre, kommen wir morgen früh erneut zusammen. Ich habe Ihnen keine weiteren Fragen zu stellen, aber für Sie ist das die letzte Gelegenheit, zusätzliche Aussagen zu machen. Haben Sie das verstanden? Gut, dann bis morgen.«
    Pribluda leerte vorsichtig den Eimer aus. Das Wasser lief in einem Graben bis zu einer Abzweigung, von der ein Seitenkanal zu einer Reihe Salatköpfe führte. Arkadi wartete, bis der Seitenkanal vollgelaufen war, bevor er ihn mit einigen Handvoll Erde schloss und auf den Knien zur nächsten Abzweigung weiterrutschte. So setzten sie gemeinsam alle Beete unter Wasser. »Ein richtiges Nilhochwasser«, meinte er bewundernd.
    »Ach, der Boden ist zu trocken. Ein Dutzend Eimer für einen Garten dieser Größe?« Pribluda schüttelte den Kopf. »Das ist eine Dürre.«
    »Der private landwirtschaftliche Sektor des Komitees für Staatssicherheit wird niemals unter Trockenheit zu leiden haben, davon bin ich überzeugt.«
    »Ja, lachen Sie nur! Ich bin auf einer Kolchose aufgewachsen. Dürre ist eine schlimme Sache, und ich spüre, dass uns eine Trockenperiode bevorsteht. Ich gebe zu, dass ich in die Armee eingetreten bin, um von der Kolchose wegzukommen, aber im Grunde genommen bin ich ein Bauernjunge geblieben. Man braucht gar nicht darüber nachzudenken; eine Dürre spürt man schon vorher ganz deutlich.«
    »Wie denn?«
    »Man hat tagelang einen ausgedörrten Hals, weil die Luft so trocken ist. Aber es gibt auch andere Anzeichen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Der Erdboden ist wie eine Trommel. Was passiert, wenn das Fell einer Trommel heißer und trockener wird? Es klingt lauter. So ist’s auch mit dem Boden. Hören Sie nur!« Pribluda stampfte mit dem rechten Fuß auf. »Das klingt richtig hohl, weil der Wasserspiegel sinkt.« Er stampfte zwischen den Eimern umher, genoss seine Fähigkeit, andere zu unterhalten, und trampelte um so lauter, je mehr Arkadi lachte. »Das ist eine alte Bauernregel. Hören Sie die Erde? Merken Sie, wie trocken ihre Kehle ist? Und dabei haben Sie bestimmt geglaubt, ihr Kosmopoliten wüsstet alles!« Pribluda führte einen tolpatschigen Tanz auf, bis er stolperte und breit grinsend zu Boden ging.
    Arkadi zog ihn hoch. »Sie sollten zum Psychiater, Major, nicht ich.«
    Pribludas Grinsen verschwand. »Zeit für Ihre letzte Sitzung«, stellte er fest. »Sie gehen nicht hin?«
    »Nein.«
    »Dann muss ich hingehen.« Der Major wich Arkadis Blick aus. Er zog sein Hemd an, rollte die Hosenbeine herunter, wischte über seine Schuhe und schlüpfte in seine Jacke. Dann sahen sie beide gleichzeitig, dass seine Pistole noch an dem in den Boden gerammten Stock in der Mitte des bewässerten Gartens hing.
    »Ich hole sie Ihnen«, erbot Arkadi sich.»Nein, ich hole sie mir selbst.«
    »Unsinn! Sie haben Schuhe an, ich bin barfuss.«
    Obwohl Pribluda ihn zurückzuhalten versuchte, watete Arkadi durch den Schlamm, um das Pistolenhalfter mit der Waffe zu holen. Der Major beobachtete ihn, verbissen schweigend. Als Arkadi ihm die Pistole übergab, holte Pribluda mit dem Halfter zu einem Schlag gegen seinen Kopf aus.
    »Fassen Sie meine Pistole nicht an!« Er war blass vor Wut. »Sehen Sie denn nicht, was hier vorgeht, sehen Sie denn überhaupt nichts?«
     
    Arkadi und Pribluda arbeiteten nicht mehr im Garten, und das Gemüse vertrocknete, weil alles Wasser streng rationiert war. Bei wolkenlos blauem Himmel verkümmerte das Getreide und wurde vorzeitig gelb. Im Haus standen alle Türen und Fenster offen, um wenigstens gelegentlich einen Hauch

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