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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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hat. Wofür hätte er das viele Geld ausgeben wollen?«
    »Wer weiß?«
    »Ich hab gesagt, Sie seien unschuldig. Ich hab Sie von Anfang an für unschuldig gehalten. Fet hat als Spitzel total versagt, deshalb bin ich stolz, dass ich meinem Instinkt vertraut habe. Alle haben behauptet, kein Chefinspektor sei bereit und imstande, die angeblich von Ihnen geführten Ermittlungen trotz gegenteiliger Anweisungen des Staatsanwalts zu Ende zu bringen. Ich habe widersprochen, weil ich als einziger weiß, wie Sie versucht haben, mich zu ruinieren. Alle anderen haben gesagt, wenn Jamskoi wirklich so korrupt gewesen sei, wie Sie behaupten, müssten Sie sein Komplize gewesen sein, so dass es sich nur um eine Auseinandersetzung unter Ganoven gehandelt habe. Ich habe betont, Sie seien imstande, einen Mann ohne vernünftigen Grund zu ruinieren. Ich kenne Sie! Sie sind ein Heuchler von der übelsten Sorte.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie bezeichnen mich als Mörder, wenn ich Befehle ausführe. Was gingen mich die beiden Kerle aus dem Wladimir-Gefängnis an? Ich hatte nichts gegen sie - hab sie nicht mal gekannt. Für mich waren sie nur Staatsfeinde, die ich liquidieren sollte. Nicht alles auf der Welt lässt sich völlig legal erledigen, deshalb brauchen wir Geheimdienste. Sie müssen gewusst haben, dass ich auf Befehl gehandelt habe.
    Aber aus einer Laune, aus irgendeinem heuchlerischen Überlegenheitsgefühl heraus wollten Sie mir ein Verfahren anhängen, obwohl ich nur meine Pflicht getan habe. Deshalb sind Sie schlimmer als ein Mörder - Sie sind ein moralischer Snob! Gut, lachen Sie meinetwegen, aber Sie müssen zugeben, dass es einen Unterschied zwischen Pflichtbewusstsein und reinem Egoismus gibt.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, bestätigte Arkadi. »Aha! Sie haben also gewusst, dass ich nur auf Befehl gehandelt habe …«
    »Nicht auf Befehl«, widersprach Arkadi. »Sie haben lediglich auf ein Flüstern reagiert.«
    »Welchen Unterschied macht das? Was passiert mir, wenn ich diesen Befehl verweigere?«
    »Sie scheiden aus dem KGB aus. Ihre Angehörigen sprechen nicht mehr mit Ihnen, Ihre Freunde kennen Sie plötzlich nicht mehr, Sie dürfen nicht mehr in den Spezialläden einkaufen. Ihre Familie muss in eine kleinere Wohnung umziehen, Ihre Kinder schaffen keine Examen mehr, Sie werden von der Liste für Autokäufer gestrichen, niemand traut Ihnen mehr - und wenn Sie die beiden nicht erschossen hätten, hätte es jemand anders getan. Ich hab hingegen eine miese Ehe geführt, keine Kinder gehabt und mir nie ein eigenes Auto gewünscht.«
    »Genau das meine ich!«
    Arkadi beobachtete den Kondensstreifen eines Düsenjägers und horchte auf das Geräusch von Pribludas Spaten. Solange Arkadi lebte, blieb auch Irina am Leben.
    »Wenn ich unschuldig bin, brauchen Sie mich vielleicht doch nicht zu erschießen.«
    »Niemand ist völlig unschuldig.« Der Major grub weiter um.
    Das Flugzeug brachte weitere Vernehmungsoffiziere, Proviant und frische Kleidung für Pribluda.
    Manchmal kamen neue KGB-Offiziere, manchmal waren es alte Bekannte; die einen benützten Drogen, andere versuchten es mit Hypnose, aber alle hatten eines gemeinsam: Sie blieben eine Nacht und flogen am nächsten Morgen wieder weg. Pribluda arbeitete weiter im Garten - wenn die Vernehmungsoffiziere außer Sicht waren - und hatte seine Pistole im Schulterhalfter an einem in den Boden gerammten Stock hängen. Aus der Erde sprossen Radieschen, Sellerie und Karotten in krummen Reihen.
    »Der Sommer wird trocken, das spüre ich«, erklärte er Arkadi. »Da muss man ein bisschen tiefer pflanzen.«
    Pribluda marschierte fluchend hinter ihm her, wenn Arkadi eine seiner langen Wanderungen machte.
    »Ich laufe nicht weg«, versprach Arkadi ihm. »Ehrenwort!«
    »Hier gibt’s Moore. Die können gefährlich sein.« Er blieb zehn Meter hinter Arkadi. »Sie wissen nicht mal, wohin Sie treten dürfen.«
    »Ich bin kein Pferd. Mich brauchen Sie nicht zu erschießen, wenn ich mir ein Bein breche.«
    Arkadi hörte Pribluda zum erstenmal lachen. Der Major hatte recht. Wenn Arkadi zu seinen Wanderungen aufbrach, war er manchmal noch so voll Natriumpentothal, dass er gegen einen Baum hätte rennen können, ohne es zu merken. Er wanderte jeweils so lange, bis die Wirkung der letzten Spritze in der frischen Luft abgeklungen war; dann ruhte er sich im Schatten eines Baumes aus.
    Pribluda hatte anfangs immer in der Sonne sitzen wollen und eine Woche gebraucht, um sich an den

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