Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
Vom Netzwerk:
Nachmittags musste ihr Versorgungsflugzeug vor der Landung umkehren, und am nächsten Morgen hingen auch am südlichen Horizont Rauchschwaden. Ein Löschfahrzeug kam mit einem Brandmeister und Feuerwehrmännern, die in ihrer Schutzkleidung an mittelalterliche Soldaten erinnerten. Der Brandmeister ordnete die Räumung des Hauses an. Eine Evakuierung nach Moskau kam nicht mehr in Frage; die Strassen waren abgeschnitten oder blockiert, und die Bevölkerung wurde zur Brandbekämpfung zwangsverpflichtet.
    Diese Brandbekämpfung hatte etwas von einer Schlacht. Nur 30 Kilometer vom Haus entfernt sammelte sich eine Streitmacht aus Hunderten von Feuerwehrmännern, Pionieren und »Freiwilligen« als Infanterie um Löschfahrzeuge, Bagger und Planierraupen. Die Gruppe aus dem Haus - Arkadi, Pribluda und etwa 20 Wachposten - bildete eine Auffanglinie mit Schaufeln.
    Aber sobald sie die erste Feuerschneise überquerten, löste sich die Linie auf. Der Wind sprang um und trieb den Männern beißende Rauchschwaden entgegen, so dass sie würgend und hustend in verschiedene Richtungen auseinander liefen. Männer und ganze Raupenschlepper versanken in alten Gräben von früheren Brandaktionen; Helfer in angesengten Kleidern versuchten sich in Sicherheit zu bringen, das Durcheinander war unbeschreiblich. Von den Männern, mit denen Arkadi losmarschiert war, konnte er nur noch Pribluda erkennen.
    Das Feuer war unberechenbar. Ein Busch geriet nur langsam in Brand; der nächste loderte augenblicklich wie eine Fackel. Aber die wirkliche Gefahr waren die unterirdischen Schwelbrände im Torf. Inzwischen hatte Arkadi erkannt, dass er sich in der Nähe der Stadt Schatura befand. Dort war nach der Oktoberrevolution das erste Kraftwerk gebaut worden - und dieses Kraftwerk wurde mit Torf beheizt. Der Torf brannte selbst dort unterirdisch weiter, wo der Brand an der Oberfläche gelöscht zu sein schien.
    Ein Bagger brach durch die dünne Erdschicht, unter der verglimmender Torf einen Hohlraum gebildet hatte, und setzte eine Methanwolke frei, die wie eine Bombe zwischen den Löschmannschaften detonierte. Die Hitze raubte einem fast den Atem. Alle Männer husteten Asche und Blut.
    Hubschrauber flogen über sie hinweg und ließen Löschwasser ab, das beißende Rauch- und Dampfschwaden erzeugte. Männer mit tränenden Augen hielten einander in blinden Ketten an den Gürteln fest.
    Der Brand sollte eingedämmt werden, aber die Torfflächen waren zu riesig, und Feuerschneisen blieben nutzlos gegen einen Feind, der unterirdisch angriff. Da jede neue Auffanglinie weiter zurückgenommen werden musste, waren die früher eingesetzten Männer um so hoffnungsloser gefangen. Arkadi wusste nicht mehr, wohin er sich wenden sollte. Aus allen Richtungen drangen verwirrte Schreie aus den Rauchschwaden. Ein Graben endete bei einem brennenden Raupenschlepper; Schaufeln lagen so da, wie sie weggeworfen worden waren. Pribluda hockte mit rauchgeschwärztem Gesicht auf der Erde und keuchte erschöpft. Er konnte seine Pistole kaum noch halten, und seine Stimme war so schwach, dass Arkadi sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen.
    »Verschwinde!« forderte Pribluda ihn erbittert auf. »Sieh zu, dass du deine Haut rettest. Das ist deine große Chance. Falls du nicht selbst verbrennst, kannst du irgendeinem armen toten Kerl die Ausweise abnehmen. Das ist die Gelegenheit, auf die du gewartet hast. Wir erwischen dich trotzdem; ich würde dich erschießen, wenn ich das nicht wüsste.«
    »Was hast du vor?« fragte Arkadi.
    »Ich bin nicht so dämlich, mich hier braten zu lassen. Ich bin kein Feigling.«
    Hohe Rauchwände kamen näher, als der Wind erneut drehte. Arkadi war stets der Überzeugung gewesen, Pribluda werde ihn nicht erschießen; sollte er jetzt in den Flammen umkommen? Immerhin wäre das ein natürlicher Tod - ohne neun Gramm Blei aus der Pistole eines Mitmenschen im Hinterkopf.
    »Lauf!« Pribluda musste husten.
    Arkadi zog den Major hoch und nahm ihn im Rettungsgriff über eine Schulter. Er konnte weder den Raupenschlepper noch Bäume, noch die Sonne sehen. Er wankte nach links, wo er zuletzt noch einen Fluchtweg bemerkt hatte.
    Unter Pribludas Gewicht schwankend und über Brandschutt stolpernd, konnte er bald nicht mehr beurteilen, ob er geradeaus ging oder sich im Kreis bewegte - aber er wusste, dass sie sterben würden, sobald er stehen blieb. Als der Rauch so dicht wurde, dass Arkadi die Augen völlig schließen musste, zwang er sich dazu, 20 Schritte zu

Weitere Kostenlose Bücher