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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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machen, dann weitere 20, danach zehn und schließlich fünf. Beim vorletzten Schritt stolperte er in einen etwa mannshohen, mit Brackwasser gefüllten Graben. Dicht über dem nur knöcheltiefen Wasser war die Luft einigermaßen zu atmen. Pribludas Gesicht war blau angelaufen, seine Lippen violett. Arkadi drehte ihn im Wasser um, kniete sich auf ihn und pumpte Luft in seine Lungen. Pribluda erholte sich, aber die Hitze wurde immer unerträglicher.
    Arkadi führte ihn den Graben entlang. Glühende Asche fiel auf sie, versengte ihr Haar und brannte Löcher in ihre Hemden. Dann stieg der Graben an und war zu Ende. Arkadi glaubte im ersten Augenblick, sie seien an der gleichen Stelle, an der sie morgens die Brandbekämpfung aufgenommen hatten. Aber dann sah er, dass die Bagger, Löschfahrzeuge und Planierraupen schwarz und ausgebrannt waren - und dass in der Nähe der Maschinen Tote lagen, die schon am Tag zuvor in den Flammen umgekommen sein mussten. Zwei der Toten hatten intakte Feldflaschen am Gürtel; Arkadi nahm sie ihnen ab. Er zerriss sein Hemd, band die Stoffstreifen Pribluda und sich vors Gesicht und marschierte mit ihm weiter, als der Rauch näher kam.
    Arkadi stolperte und wäre in einen Graben gefallen, hätte Pribluda ihn nicht geistesgegenwärtig am Arm gepackt. Sie marschierten weiter, über brennende Moorflächen, an zahllosen Toten vorbei, Opfer eines Krieges, von dem die Öffentlichkeit nur erfahren würde, was die Zeitungen meldeten: dass der Wind Asche von Moorbränden nach Moskau geweht habe.
    Schließlich erreichten sie eine Palisade aus verbrannten Bäumen. »Wir können nicht weiter, der Rauch ist überall.« Pribluda sah sich in der Dunkelheit um. »Warum hast du uns hierher geführt? Die Bäume fangen schon wieder an zu brennen.«
    »Das ist kein Rauch, das ist die Nacht, und das andere sind Sterne«, antwortete Arkadi. »Wir sind gerettet.«
    Das Haus war vom Feuer verschont geblieben. Einige Tage später brachen sintflutartige Regenfälle los, die den Moorbrand löschten. Danach spielten die Wachposten wieder Volleyball, und das Flugzeug brachte frischen Proviant, sogar Eiskrem. Das Flugzeug brachte auch den Generalstaatsanwalt, der seinen Regenmantel anbehielt und mit gesenktem Kopf und auf den Rücken gelegten Händen mit Arkadi sprach.
    »Sie verlangen, dass unser gesamtes Justizsystem sich nach Ihnen richtet. Dabei sind Sie nur ein einzelner Mann, ein einzelner Chefinspektor - und nicht einmal ein wichtiger. Trotzdem prallen vernünftige Argumente und gutes Zureden an Ihnen ab. Wir wissen, dass die Asanowa die Komplizin des amerikanischen Agenten Osborne und der beiden Verräter Borodin und Dawidowa gewesen ist.
    Wir wissen auch, dass Sie Informationen über die Asanowa und über Ihr Verhältnis zu ihr zurückhalten. Ein Chefinspektor, der das bewusst tut, spuckt seinem Vaterland ins Gesicht. Nehmen Sie sich in acht, damit Sie uns nicht im Zorn erleben!«
    Am nächsten Tag kam wieder der Psychiater von der SerbskiKlinik. Er machte keinen Versuch, Arkadi zu analysieren, sondern zog sich mit Pribluda in den ehemaligen Gemüsegarten zurück. Arkadi beobachtete sie von einem Fenster im ersten Stock aus. Der Arzt redete auf Pribluda ein, diskutierte mit ihm und schien schließlich auf etwas zu bestehen. Er klappte einen Aktenkoffer auf, in dem eine große Injektionsspritze lag, drückte dem Major den Koffer in die Hand und ging zum Landeplatz zurück.
    Pribluda verschwand hinter dem Haus.
    Nachmittags klopfte der Major an die Tür von Arkadis Zimmer und lud ihn ein, mit ihm Pilze suchen zu gehen. Trotz der Hitze trug er seine Jacke, und er hatte zwei große Tücher für die zu sammelnden Pilze mitgebracht.
    Keine halbe Stunde vom Haus entfernt gab es ein Wäldchen, das seltsamerweise vom Feuer verschont geblieben war. Dort hatte der Regen wie durch ein Wunder neues Gras, Blumen und - fast über Nacht - Pilze aus dem Boden schießen lassen. Viele der Bäume waren über 100 Jahre alte Eichen mit bemoosten Stämmen und weit ausgreifenden Ästen, die ein grünes Blattgewölbe über dem Waldboden bildeten.
    Während Pribluda zufrieden Pilze sammelte, betrachtete Arkadi seine niedrige Stirn, den ergrauenden Haaransatz, seine klobige Nase, die Warze am Kinn, seinen stämmigen, kurzarmigen Körper und die schlechtgeschnittene Jacke, unter der sich das Pistolenhalfter abzeichnete. Im Wald wurde es bereits dunkel, bevor Arkadi merkte, dass sie das Abendessen versäumt hatten.
    »Oh, das macht nichts«,

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