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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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würde nie versuchen, ein russisches Mal mit russischem Makeup zu verdecken, aber mit amerikanischem Makeup tu ich’s.
    Ich will alles Russische hinter mir lassen. Wenn ich mich am Gehirn operieren und mir alle russischen Erinnerungen rausschneiden lassen könnte, würde ich’s auf der Stelle tun!«
    »Warum wolltest du mich dann hier haben?«
    »Ich liebe dich, und du liebst mich.«
    Sie zitterte so sehr, dass sie nicht weitersprechen konnte.
    Er hüllte sie in die Bettdecke und drückte sie tröstend an sich. Arkadi hatte ein schlechtes Gewissen, weil er Irina angefahren hatte. Was sie tat, tat sie für sie beide. Sie hatte es irgendwie geschafft, ihm das Leben zu retten und ihn zu sich in die Vereinigten Staaten zu holen, und er hatte kein Recht, ihr Vorwürfe zu machen. Schließlich war er kein Chefinspektor mehr, sondern ein ganz gewöhnlicher Krimineller. Sie waren beide Verbrecher, die nur noch voneinander und füreinander lebten. Arkadi fand ihre Zigarette, die auf den Bettvorleger gerollt und ein neues Loch hineingebrannt hatte, und hielt sie Irina an die Lippen.
    »Erzähl mir nicht, Osborne habe nicht versucht, dich ermorden zu lassen«, sagte er.
    »Hier ist alles so anders«, erklärte Irina ihm. Sie begann wieder zu zittern. »Ich kann keine Fragen beantworten. Stell mir bitte keine Fragen.«
    Sie saßen im Bett und hatten den Farbfernseher eingeschaltet. Auf dem Bildschirm saß ein gelehrt aussehender Mann an einem Gartentisch neben einem Swimmingpool und las. Hinter einem Busch kam ein junger Mann mit einer Wasserpistole hervorgestürzt.
    »Mein Gott, du hast mich erschreckt!« Der Lesende kippte beinahe vom Stuhl, und sein Buch fiel ins Wasser. Er zeigte darauf und sagte: »Ich bin ohnehin schon nervös, und du spielst mir diesen dummen Streich! Zum Glück ist’s nur ein Taschenbuch gewesen.«
    Hinter dem Mann mit der Wasserpistole erschienen Bikinischönheiten, ein Fallschirmspringer, der seinen Schirm hinter sich herschleppte, und eine Tanzkapelle.
    »Das ist ja grässlich«, sagte Arkadi spontan. »Mir gefällt’s.«
    Er glaubte zuerst an einen Scherz, aber Irina hing wie gebannt am Bildschirm. Arkadi merkte, dass sie der Handlung gar nicht folgte. Er sah, was Irina fesselte: das leuchtende Blau das Swimmingpools, das satte Grün eines Avokadobaums, das Purpurrot der Bougainvillea neben der Einfahrt, die chromblitzenden Autos. Sie erfasste das wirklich Wichtige auf dem Bildschirm, wie er es nie würde erfassen können. Wenn eine Frau schluchzte, sah Irina ihr Kleid, ihre Ringe, ihre Frisur, bunte Kissen auf Gartenmöbeln, eine Terrasse am Meer und den Sonnenuntergang über dem Pazifik.
    Sie drehte sich um und bemerkte Arkadis Entsetzen. »Ich weiß, dass du glaubst, das sei alles unwirklich, Arkascha. Du täuschst dich - hier ist es Wirklichkeit.«
    »Nein, das ist es nicht!«
    »Doch, es ist wirklich, und ich will es haben.« Arkadi gab nach. »Dann sollst du’s auch haben.« Er legte seinen Kopf in ihren Schoß und schloss die Augen, während aus dem Fernseher Gemurmel und Lachen drangen.
    Irina hatte ein neues Parfüm. In der Sowjetunion gab es nur wenige Parfüms: solide, biedere Werktagsdüfte. Sonjas Lieblingsparfüm hieß »Moskauer Nächte«. Früher war »Moskauer Nächte« unter dem Namen »Swetlana« - nach Stalins Lieblingstochter - verkauft worden, bis sie mit einem dunkelhäutigen Inder durchgebrannt war. »Moskauer Nächte« war ein rehabilitierter Duft.
    »Kannst du mir verzeihen, dass ich das will, Arkascha?«
    Er hörte die Besorgnis in ihrer Stimme. »Ich will es auch, für dich.«
    Irina stellte den Fernseher ab, und Arkadi ließ das Rouleau nach oben schnappen. Das Bürogebäude auf der anderen Strassenseite glich einem Netzwerk aus Stahlträgern, zwischen denen dunkle, leere Fensterflächen ausgespart waren. - Er lachte, um Irina aufzuheitern, und stellte das Transistorradio an, das sie gekauft hatte. Aus dem Lautsprecher kam eine Samba. Ihr Mut kehrte zurück, und sie tanzten auf dem dunklen Teppich, wobei ihre Schatten über die Wände huschten. Arkadi presste Irina fest an sich und wirbelte sie im Kreis herum. Ihre Augen - das erblindete wie das gesunde - weiteten sich vor Freude. Die Seele war also noch da, auch wenn das Mal verschwunden war.
    Eine braune Spinne ließ sich an ihrem Faden ins Sonnenlicht herab und wurde weiß.
    Irina war sehr früh mit Wesley und Nicky fortgegangen. Der Spinnfaden schien frei in der Luft zu hängen.
    »Wie könnt ihr Russen schon vor

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