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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park
Autoren: Martin Cruz-Smith
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sagte Osborne, dessen Gesicht in dem hellen Schein der Lampe kaum zu erkennen war, »denn dieses Gebäude und die benachbarten Blocks sind der größte Pelzmarkt der Welt. Ich versichere Ihnen, dass der Unterschied zwischen diesem Fell und einem Katzenfell so groß ist wie der zwischen Irina und einer Durchschnittsfrau oder Ihnen und einem Durchschnittsrussen.« Er hielt die Lampe schräg, so dass Arkadi eine Hand vor die Augen halten musste, um nicht geblendet zu werden. »Sie sehen gut aus, Chefinspektor - sogar sehr gut in einem anständigen Anzug. Ich freue mich aufrichtig, Sie lebend vor mir zu sehen.«
    »Sie sind ehrlich überrascht, dass ich noch lebe.«
    »Richtig, auch das.« Osborne ließ die Lampe sinken.
    »Sie haben mir einmal erklärt, Sie könnten sich verstecken, wo Sie wollten - ich würde trotzdem kommen und Sie aufspüren. Das habe ich Ihnen nicht geglaubt, aber Sie haben recht gehabt.«
    Osborne ließ die Pistole auf dem Tisch liegen, während er sich eine Zigarette anzündete. Arkadi hatte seine Sonnenbräune, die schlanke Eleganz und das silbergraue Haar vergessen. Und natürlich das viele Gold - Zigarettenetui und Feuerzeug, Ring, Armbanduhr und Manschettenknöpfe -, das bernsteinfarbene Leuchten in den Augen und das strahlende Lächeln.
    »Sie sind ein Mörder«, stellte Arkadi fest. »Warum lassen die Amerikaner zu, dass Sie mit mir sprechen?«
    »Weil die Russen zulassen, dass Sie mit mir sprechen.«
    »Warum tun wir das?«
    »Machen Sie die Augen auf!« Osbornes Handbewegung umfasste den ganzen Raum. »Was sehen Sie hier?«
    »Felle.«
    »Nicht einfach nur Felle. Saga-Nerz, Standard-Nerz, Blaufuchs, Silberfuchs, Rotfuchs, Hermelin, Luchs und natürlich Bargusin-Zobel. Allein in diesem Raum lagern Felle für über drei Millionen Dollar - und entlang der Seventh Avenue gibt’s fünfzig ähnliche Sortierräume. Hier geht es nicht um Mord; es geht ausschließlich um Zobel. Ich wollte den jungen Kirwill und Kostja und Valeria nicht erschießen. Nachdem sie mir so eifrig geholfen hatten, hätte ich ihnen viele glückliche Jahre in irgendeinem schönen Land gegönnt. Aber was taten sie? Der junge Kirwill bestand darauf, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu treten; er wollte sie der Welt nach seiner triumphalen Rückkehr nach New York erzählen. Vielleicht hätte er bei der ersten Pressekonferenz nichts von den Zobeln gesagt - aber bestimmt auf der zehnten! Ich habe mich jahrelang abgerackert und viel riskiert; sollte ich mich jetzt der Großmannssucht eines religiösen Fanatikers ausliefern? Welcher normale Mensch hätte das getan? Ich gestehe, dass mir auch Kostja nicht Leid getan hat. Er hätte mich vom Tag seiner Ankunft in den Staaten an erpresst. Nur Valeria bedaure ich.«
    »Sie haben gezögert?«
    »Ja.« Osborne nickte zufrieden. »Sie haben recht, ich habe gezögert, bevor ich sie erschossen habe. Aber ich merke, dass mich dieses Geständnis hungrig macht. Kommen Sie, wir wollen eine Kleinigkeit essen.«
    Sie fuhren mit dem Lift zu der im Ladehof wartenden Limousine hinunter, die dann auf der Avenue of the Americas nach Norden rollte. Arkadi fiel auf, dass New York um diese Zeit noch viel wacher als Moskau war. Nach der 48th Street wurde die Avenue von kahlen Bürotürmen flankiert, die ihn an den Kalinin-Prospekt erinnerten.
    In der 56th Street führte der Amerikaner Arkadi in ein Restaurant, in dem der Maltre d’hotel Osborne mit Namen begrüßte und sie zu einer rot gepolsterten Nische geleitete. Auf allen Tischen standen frische Lilien, an den Wänden hingen französische Impressionisten, Kristallkronleuchter strahlten über schwerem Damast, und ein Ober erkundigte sich servil nach ihren Wünschen. Die anderen Gäste waren ältere Männer mit Nadelstreifenanzügen und jüngere Frauen mit sorgfältig zurechtgemachten, maskenhaften Gesichtern.
    Arkadi rechnete noch immer halbwegs damit, dass Wesley oder die Polizei ins Restaurant stürmen und Osborne festnehmen würden. Osborne fragte ihn, ob er etwas trinken wolle; als Arkadi ablehnte, bestellte Osborne sich einen 1976er Corton-Charlemagne. Dann fragte er, ob Arkadi hungrig sei.
    Arkadi log und sagte nein. Osborne bestellte gegrillten Gravlachs mit Dillsauce und Pommes frites für sich. Porzellan, Glas und Silberbesteck glitzerten. Ich sollte ihm ein Messer ins Herz stoßen, dachte Arkadi.
    »New York ist eine Durchgangsstation für russische Emigranten, wissen Sie«, sagte Osborne. »Sie geben an, sie wollten nach
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