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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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erkennen würde. Außerdem war er ein Uneingeweihter in einem fremden Land.
    Aber wenigstens brauchte er Osborne nicht mehr zu glauben. Keiner kannte Osborne so gut wie er - auch Irina oder Kirwill nicht. Arkadi wusste, dass Osborne ein Vermögen dafür ausgegeben hatte, um die Zobel aus der Sowjetunion nach Amerika zu schmuggeln. Er würde sie niemals zurückgeben. Er war ein amerikanischer Nationalheld, wenn es ihm gelang, sie zu behalten. Osbornes einziges Verbrechen waren die Morde im Gorki-Park - und der einzige Mensch, der ihn mit ihnen in Verbindung bringen konnte, war Irina. Er hatte versucht, sie in Moskau ermorden zu lassen. Seither hatte sich nichts geändert, wenn man davon absah, dass er jetzt auch Arkadi ermorden musste. Osborne würde Nicky und Rurik auf eine falsche Fährte setzen und Arkadi und Irina ermorden, sobald das FBI sie ihm auslieferte. Das wusste Arkadi ganz genau. Aber Osborne würde um einen Tag zu spät kommen.
    Im Schlaf drückte Irina ihr Gesicht gegen seine Brust. Als hauchte sie mir Leben ein, dachte Arkadi.
    Bevor er wieder einschlief, versuchte er sich das Leben in Kirwills Blockhaus vorzustellen. Gab es in Maine eine Tundra? Sie würden sich warme Kleidung und Tee kaufen müssen - vor allem viel Tee.
    Und Zigaretten. Wie würden sie sich dort die Zeit vertreiben? Er würde Irina bitten, ihm ihr ganzes bisheriges Leben zu erzählen und nichts auszulassen. Wenn sie dabei müde wurde, würde er ihr von sich erzählen. Ihr Leben würde aus diesen beiden Geschichten bestehen.
    Wie lange sie dort würden bleiben müssen, konnte er nicht beurteilen. Osborne würde versuchen, sie aufzuspüren, aber er würde selbst auf der Flucht vor Kirwill sein. Sie konnten warten. Sie würden Bücher mitnehmen. Vor allem amerikanische Autoren. Wenn er ein Notstromaggregat kaufte, hätten sie Licht und könnten ein Radio, einen Plattenspieler betreiben. Und sie würden Saatgut für einen Gemüsegarten kaufen. Er könnte Musik hören, während er säte - Bach, Prokofjew, New-Orleans-Jazz.
    Bei heißem Wetter könnten sie zum Schwimmen gehen, und im August müsste es Pilze geben.
    Als Arkadi wieder aufwachte, wurde Schnee vom Wind waagrecht an den Fenstern vorbeigeblasen, so dass der Raum sich zu drehen schien. Wesley, George und Ray standen vor dem Bett. Alle drei trugen dicke Wintermäntel. Der Stuhl, den er unter die Türklinke gestellt hatte, lag auf dem Fußboden. Ray trug einen Koffer, und George hielt einen Revolver in der Hand. Irina schrak auf und zog die Bettdecke hoch.
    »Was wollen Sie?« fragte Arkadi.
    »Ziehen Sie sich an«, forderte Wesley ihn auf. »Wir fahren weg.«
    »Wohin?«
    »Heute ist der Tag X«, antwortete Wesley.
    »Das Tauschgeschäft mit Osborne soll morgen stattfinden!« protestierte Arkadi.
    »Der Termin ist vorverlegt worden«, sagte Wesley. »Die Sache steigt heute.«
    »Aber der Tausch ist erst für morgen geplant«, widersprach Arkadi erneut.
    »Das hat sich eben geändert.«
    »Was macht das schon, Arkascha?« Irina setzte sich auf und presste die Bettdecke an sich. »Auf diese Weise sind wir schon heute frei.«
    »Frei sind Sie schon jetzt. Sie brauchen nur zu tun, was ich sage«, stellte Wesley fest.
    »Sie bringen uns zu Osborne?« fragte Arkadi.
    »Wollen Sie das denn nicht?«
    »Los, steht auf!« drängte George.
    »Lassen Sie uns allein, damit wir uns anziehen können«, verlangte Arkadi.
    »Nein«, sagte Wesley, »wir müssen uns davon überzeugen, dass Sie nicht heimlich irgendwas mitnehmen.«
    »Sie steht nicht auf, solange ihr im Zimmer seid«, sagte Arkadi nachdrücklich.
    »Ich erschieße Sie, wenn sie’s nicht tut.« George zielte auf Arkadi.
    »Reg dich nicht auf, Arkascha.« Irina hielt seine Hand fest, als er sich bewegte.
    »Nur eine Vorsichtsmaßnahme«, warf Wesley beschwichtigend ein. »Ich habe Ihre neuen Sachen hier.« Ray legte den Koffer aufs Fußende des Betts und klappte ihn auf. Er enthielt je eine vollständige Herren- und Damengarderobe.
    Irina stand nackt auf, ohne jemand anders als Arkadi anzusehen. Sie trat ans Fenster und drehte sich mit leicht ausgebreiteten Armen einmal um sich selbst.
    »Die Sachen dürften passen, glaube ich«, erklärte Ray ihr.
    »Genosse Renko?« Wesley forderte Arkadi mit einer Handbewegung auf, ebenfalls aufzustehen.
    Arkadi gehorchte, ohne Irina aus den Augen zu lassen. Das wenige Fett, das er im Lauf der Jahre angesetzt hatte, hatten die Ärzte herausgeschnitten; durch das Landleben mit Pribluda hatte er

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