Gorki Park
einer Limousine achten, die mitten im Schneesturm auf einer New Yorker Hafenfähre stand? Würde Irina ihm die Wahrheit glauben? Hätten Valeria, Kostja und James Kirwill ihm geglaubt, wenn er sie im Gorki-Park angehalten hätte?
Die Schneeschauer rissen nach Westen hin auf. Dort glitt eine mit Grünspan überzogene Riesengestalt auf einem Steinsockel an ihnen vorbei. Die erhobene Hand mit der Fackel und das Frauenhaupt mit der Strahlenkrone waren selbst Arkadi erstaunlich vertraut. Dann verschwand die Freiheitsstatue wieder hinter Schneeschleiern.
»Hast du sie gesehen?« fragte Irina.
»Einen Augenblick lang«, sagte Arkadi.
»Bin gleich wieder da.« Wesley stieg aus und verschwand die Treppe hinauf.
Arkadi fiel auf, dass Ray konzentriert in den linken Außenspiegel starrte. Offenbar beobachtete er jemanden. Das konnte nur bedeuten, dass sie doch beschattet wurden. Arkadi küsste Irina auf die Wange und sah bei dieser Gelegenheit aus dem Rückfenster. Am Heck der Fähre standen zwei Männer. Ein Schneeschauer verdeckte sie, und als Arkadi wieder nach hinten sah, waren sie verschwunden. Aber er hatte deutlich Wesley und Rurik, den rothaarigen KGB-Offizier, erkannt.
Der Schneesturm ließ allmählich nach. Vor ihnen tanzte eine rote Warnboje im schwarzen Wasser. Als Wesley zurückkam, wurde eine Kleinstadt auf den Hügeln einer Insel sichtbar.
»Dort vorn wollen wir hin«, erklärte er Irina, als er wieder einstieg.
»Wo sind wir?« fragte sie.
»Die Stadt heißt Saint George«, antwortete der FBI-Agent. »Das ist Staten Island«, warf Arkadi ein.
»Ganz recht«, bestätigte Wesley. »Und es gehört zu New York City, auch wenn manche Leute das nicht wahrhaben wollen.«
Arkadi sah, dass die grauen Hafenanlagen und schneebedeckten Dächer Irina wie eine Tropeninsel mit Palmen und Orchideen erschienen. Sie näherte sich dem Ziel einer wunderbaren Reise.
Die Fähre legte an, und ihr Wagen rollte als zweiter von Bord.
St. George hätte fast eine russische Kleinstadt sein können. Auf den Strassen lag hoher Schneematsch, und der Verkehr war nahezu lahmgelegt. Die Autos waren alt und verrostet; die Menschen auf den Strassen trugen Kapuzenjacken und Stiefel. Die kleinen Häuser hatten echte Schornsteine, aus denen echter Rauch kam. Aber in den Supermärkten gab es Frischfleisch, Geflügel und Fisch.
Eine geräumte breite Strasse führte aus der Stadt zu neueren Vororten: Fertighaussiedlungen, in denen die Gärten durch Maschendrahtzäune voneinander getrennt waren. Eine Kirche erinnerte an ein startendes Raumschiff; eine Bank sah wie eine Tankstelle aus.
Sie erreichten die Strasse, auf der Arkadi am Abend zuvor mit Kirwill unterwegs gewesen war. Der Verkehr war nur schwach. Im dritten Auto hinter ihnen erkannte Arkadi die KGB-Offiziere Nicky und Rurik. Kirwills Kriminalbeamte waren nirgends zu sehen.
Ray bog vor der Brücke über den Arthur Kill ab. Ein einzelner Wagen folgte ihnen in weitem Abstand. Sie pflügten auf einer schmalen Strasse am Fluss durch den Schnee - vorbei an Gasbehältern und Hochspannungsmasten, durch Marschland mit dick verschneiten Binsenbüscheln.
Arkadi fühlte die wachsende Spannung der drei anderen. Er war sich darüber im klaren, was Irina und ihn am Ende dieser Strasse erwartete: Osborne würde sie ermorden und sich einbilden, der KGB sei Tausende von Meilen von den Zobeln entfernt auf eine falsche Fährte gesetzt worden. In Wirklichkeit aber wurden Nicky und Rurik geradewegs zu ihnen geführt. Was blieb Wesley anderes übrig?
Osborne weigerte sich, unterzutauchen; folglich musste das FBI nicht nur ihn, sondern auch seine Zobel schützen. Also würde Osborne Irina und ihn umbringen, um dann seinerseits von Wesley-George-Ray-Nicky-Rurik ermordet zu werden.
Der zweite Wagen blieb weit zurück, aber Arkadi spürte ihn wie eine Faust im Nacken.
Ray bog durch ein Tor auf einen Schrottplatz ab. Vom Kill her schien eine Schneewoge heraufgebrandet zu sein und Eisenschrott wie Treibholz abgelagert zu haben. Ausgeschlachtete Schiffsrümpfe und Lokomotiven lagen in dieser weißen Flut. Busse waren auf Lastwagen gestapelt, Eisenbahnwaggons standen auf dem Kopf, Anker lagen auf Wohnmobilen. Überall hingen Schilder KEIN ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE und WARNUNG VOR DEM HUNDE. Sie fuhren an einem kleinen, mit alten Nummernschildern verkleideten Büro vorbei, ohne angehalten zu werden. Arkadi sah, dass Ray Fahrspuren folgte, die zwei bis drei Stunden alt zu sein schienen. Die Spuren verließen den
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