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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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vorgesehen.« Arkadi gönnte sich eine Stunde Schlaf.
    Die erste Schädelrekonstruktion von Schönheit war ein gesichtsloser rosa Gipskopf mit einer mottenzerfressenen Perücke, aber er hatte Scharniere an den Ohren, ließ sich entlang der Nasenlinie aufklappen und zeigte unter der Oberfläche ein kompliziertes blaues Muskelgeflecht und einen weißen Gesichtsschädel.
    Andrejew erklärte: »Das Gesicht ist nur eine dünne Maske vor dem Schädel. Man kann das Gesicht nach dem Schädel rekonstruieren, aber nicht den Schädel nach dem Gesicht. Das braucht Zeit.«
    »Wie viel?« fragte Arkadi.
    »Vier, fünf Wochen.«
    »Tut mir leid. Ich brauche ein identifizierbares Gesicht innerhalb der nächsten Tage.«
    »Renko, Sie sind der typische Ermittlungsbeamte. Sie haben überhaupt nicht zugehört. Ich habe mich von Ihnen überreden lassen, das Gesicht zu rekonstruieren. Das ist eine äußerst langwierige Arbeit, für die ich meine Freizeit opfere.«
    »Ich verdächtige einen Mann, der Moskau in einer Woche verlassen wird.«
    »Er kann die Sowjetunion nicht verlassen, deshalb … «
    »Doch!«
    »Hm. Ein Ausländer?«
    »Ja.«
    »Aha!« Andrejew winkte lachend ab. »Gut, ich verstehe. Erzählen Sie mir bitte nicht noch mehr.«
    Andrejew kletterte auf seinen Hocker, rieb sich das Kinn und sah zu dem Oberlicht auf. Arkadi fürchtete, er werde es ablehnen, sich weiter mit dem Kopf zu beschäftigen.
    »Na ja, sie ist bis auf das Gesicht ziemlich intakt angekommen, und ich habe sie fotografiert, so dass kein Zeitverlust durch die Rekonstruktion von Kinn und Halsansatz zu befürchten ist. Die Gesichtsmuskeln sind ebenfalls fotografiert und skizziert. Wir kennen ihre Haarfarbe und die Frisur, die sie getragen hat. Ich könnte also anfangen, sobald der Schädel sauber ist.«
    »Wann bekommen Sie einen sauberen Schädel?«
    »Immer diese Fragen, Chefinspektor! Warum fragen Sie das Säuberungskomitee nicht selbst?«
    Andrejew zog eine große Schublade auf. Sie enthielt den Behälter, in dem Arkadi ihm den Kopf gebracht hatte. Andrejew hob den Deckel ab. Arkadi sah eine schillernde Masse und brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, dass sie aus unzähligen glänzenden Käfern bestand, unter denen einige weiße Schädelknochen sichtbar waren.
    »Bald«, versprach Andrejew ihm.
     
    Im Fernschreibraum der Miliz in der Petrowka-Strasse gab Arkadi eine neue Fahndungsmeldung auf - diesmal nicht nur für westlich des Urals, sondern für die gesamte Sowjetunion, einschließlich Sibirien.
    Die Tatsache, dass die drei Ermordeten unidentifiziert blieben, beunruhigte ihn. Jeder hatte einen Ausweis; jeder wurde von jedem beobachtet. Wie konnten drei Menschen so lange verschwinden, ohne dass sie als vermisst gemeldet wurden? Und die einzige Verbindung zu irgend jemand waren die Schlittschuhe Irina Asanowas, die aus Sibirien stammte.
    »In einem Nest wie Komsomolsk sind sie uns mit der Zeit zehn Stunden voraus«, sagte der Mann am Fernschreiber. »Dort ist jetzt schon Nacht. Das bedeutet, dass wir nicht vor morgen mit einer Antwort rechnen können.«
    Arkadi zündete sich eine Zigarette an und bekam beim ersten Zug einen Hustenanfall. Daran waren der Regen und seine lädierten Rippen schuld.
    »Sie sollten mal zum Arzt gehen.«
    »Danke, ich kenne einen.« Der Chefinspektor ging hustend hinaus.
     
    Lewin war gerade im Autopsieraum mit einer Leiche mit braunen Lippen beschäftigt, als Arkadi eintraf. Der Pathologe sah ihn an der Tür stehen, zog seine Gummihandschuhe aus und kam heraus.
    »Selbstmord. Gas und Pulsadern aufgeschnitten«, sagte Lewin. Er zog die Augenbrauen hoch, als er Arkadi husten hörte. »Kommen Sie, die Kellerluft ist nichts für Sie.«
    Sie gingen in Lewins Büro hinauf, wo der Pathologe zu Arkadis Überraschung eine Flasche französischen Kognak und zwei Gläser auf seinen Schreibtisch stellte. »Selbst für einen Chefinspektor sehen Sie schlimm aus.«
    »Ich brauche ein Medikament.«
    »Renko, der Held der Arbeit.« Lewin schenkte ein. »Hier.« Nachdem sie sich zugetrunken hatten, warf der Pathologe Arkadi einen prüfenden Blick zu. »Wie viel Gewicht haben Sie in letzter Zeit verloren? Wie viel Schlaf haben Sie gekriegt?«
    »Sie haben doch Tabletten.«
    »Gegen Fieber, Schüttelfrost und Schnupfen? Gegen Ihre Arbeit?«
    »Irgendein Schmerzmittel.«
    »Wollen Sie sich selbst umbringen? Wissen Sie denn gar nicht, was Angst ist? Nein, nicht der Held der Arbeit …« Lewin beugte sich nach vorn. »Lassen Sie die Finger von

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