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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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diesem Fall.«
    »Ich versuche, ihn abzugeben.«
    »Das genügt nicht. Lassen Sie die Finger davon.«
    »Unsinn!«
    Arkadi bekam einen neuen Hustenanfall, stellte sein Glas weg, beugte sich nach vorn und hielt sich die Rippen. Er nahm undeutlich wahr, wie Lewins kalte Hand von oben in sein Hemd fuhr und die empfindliche Schwellung auf seiner Brust abtastete. Der Arzt sog zischend die Luft ein.
    Als Arkadis Hustenanfall vorüber war, saß Lewin wieder auf seinem Platz und war dabei, ein Attest zu schreiben.
    »Ich bestätige Ihnen für die Staatsanwaltschaft, dass Sie wegen einer schweren Prellung und Blutungen im Brustraum stationär beobachtet werden müssen, weil Verdacht auf Brustfellentzündung und Rippenbrüche besteht. Damit verschafft Jamskoi Ihnen zwei Wochen Kuraufenthalt in einem Sanatorium.«
    Arkadi griff nach dem Attest und knüllte es zusammen.
    »Dafür …« Lewin füllte einen Rezeptvordruck aus. »Dafür bekommen Sie ein Antibiotikum.« Er öffnete eine Schreibtischschublade und warf Arkadi ein Fläschchen mit kleinen Tabletten zu. »Hier, das müsste gegen Ihren Husten helfen. Nehmen Sie gleich eine.«
    Das Fläschchen enthielt Kodeintabletten. Arkadi schluckte zwei und steckte den Rest ein.
    »Woher haben Sie die schöne Beule?« erkundigte Lewin sich.
    »Von einem Schlag.«
    »Mit einem Gummiknüppel?«
    »Nur mit der Faust, glaub ich.«
    »Das ist ein Gegner, um den Sie in Zukunft einen weiten Bogen machen sollten. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, gehe ich zu meinem glatten, sauberen Selbstmord zurück.«
    Arkadi flüchtete aus dem Leichenhaus und stapfte mit hochgezogenen Schultern durch den Regen. Am Dserschinski-Platz strömten die Massen zu den U-Bahn-Stationen. Neben dem Kinderwelt-Warenhaus gegenüber dem Lubjanka-Gefängnis kannte Arkadi eine Schnellimbissstube. Er wollte eine Kleinigkeit essen und wartete am Fußgängerübergang, als jemand seinen Namen rief.
    »Hierher!«
    Unter einem niedrigen Torbogen trat eine Gestalt hervor, die Arkadi am Ärmel aus dem Regen zog:
    Jamskoi, der über seiner Staatsanwaltsuniform einen blauen Regenmantel trug und seine Glatze unter einer goldbestickten Mütze verbarg.
    »Genosse Richter, kennen Sie unseren hochbegabten Chefinspektor Renko?« Jamskoi stellte Arkadi einem alten Mann vor.
    »Sohn des Generals?« Der Richter hatte eng beieinanderstehende kleine Augen und eine Hakennase.
    »Ganz recht.«
    »Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen.« Der Richter gab Arkadi eine kleine Greisenhand. Arkadi war unwillkürlich beeindruckt. Schließlich gab es am Obersten Gerichtshof nur zwölf Richter.
    »Ganz meinerseits. Ich wollte gerade ins Büro.« Arkadi trat einen Schritt zurück, aber Jamskoi hielt ihn am Ärmel fest.
    »Sie arbeiten bestimmt schon seit Tagesanbruch.« Er wandte sich an den Richter. »Er bildet sich ein, ich wüsste nicht, wie fleißig er ist. Mein kreativster und fleißigster Mitarbeiter. Aber auch Sie müssen einmal ausspannen, Chefinspektor. Kommen Sie mit uns.«
    »Tut mir leid, aber ich habe zu arbeiten«, protestierte Arkadi. »Sie wollen meine Einladung ausschlagen? Kommt nicht in Frage!« Jamskoi zog auch den Richter mit. Hinter dem Torbogen begann eine überdachte Passage, die Arkadi noch nie aufgefallen war. Zwei Milizionäre mit den Kragenspiegeln der Wachdivision nahmen Haltung an. »Außerdem haben Sie doch nichts dagegen, wenn ich Sie ein bisschen vorzeige, nicht wahr?«
    Die Passage führte auf einen Innenhof, vollgeparkt mit chromblitzenden Tschaika-Limousinen.
    Jamskoi ging wichtigtuerisch voraus und öffnete eine Eisentür, hinter der eine von sternförmigen weißen Kristalllüstern beleuchtete Vorhalle lag. Eine mit einem Läufer belegte Treppe führte in einen holzgetäfelten Raum mit schmalen Mahagonikabinen hinunter. Hier waren die Kristallüster rot, und eine Längswand des Raums verschwand hinter einem Großfoto des Kremls bei Nacht mit einem wehenden roten Banner über der grünen Kuppel des alten Senats. Jamskoi zog sich aus. Sein Körper war rosig, muskulös und fast unbehaart. Der Richter enthüllte einen eingesunkenen Brustkorb, bedeckt mit einem dichten weißen Pelz. Arkadi zog sich ebenfalls aus. Der Staatsanwalt warf einen flüchtigen Blick auf seine blauschwarz verfärbte Brustprellung.
    »Eine kleine Auseinandersetzung, was?«
    Er nahm ein Handtuch aus seiner Kabine und schlang es Arkadi wie einen Schal um den Hals, um die Schwellung zu verdecken. »So, jetzt sehen Sie richtig elegant aus. Dies ist eine

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