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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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war entschlossen, die Aufnahmen aus dem Januar zu Ende zu hören, bevor er sich auf das Feldbett legte. Im Lichtkreis der Schreibtischlampe ordnete er drei Zündhölzer auf einem Blatt Papier nebeneinander an. Um die Streichhölzer herum zeichnete er die Umrisse der Lichtung im Gorki-Park.
    Gegen Mitternacht erinnerte Arkadi sich an den Zettel, den Pascha ihm hingelegt hatte. Auf Paschas Tisch lagen ein Bericht und das Dossier eines Deutschen namens Hofmann. Arkadi blätterte darin.
    Hans Friedrich Hofmann war 1932 in Dresden geboren, verheiratet mit 18 Jahren, geschieden mit 19, wegen Rowdytums aus der Jugendorganisation FDJ ausgeschlossen (Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung niedergeschlagen). 1952 Eintritt in die Volkspolizei; während der reaktionären Wirren des Jahres 1953 für Einsatz gegen Aufrührer belobigt (Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung niedergeschlagen). Nach Erfüllung der Wehrpflicht Aufseher im Zuchthaus Bautzen; später vier Jahre lang Chauffeur des Ersten FDGB-Sekretärs. 1963 in die SED aufgenommen; im gleichen Jahr die zweite Ehe und Wechsel zum VEB Chemiefaserwerk Guben.
    1970 Ausschluss aus der SED wegen wiederholter Misshandlungen seiner Ehefrau. Kurz gesagt: Ein brutaler Schläger. Unterdessen war er wieder Parteimitglied und hatte in Moskau die Aufgabe, für Disziplin unter den ostdeutschen Studenten zu sorgen. Sein Foto zeigte einen großen, hageren Mann mit schütterem aschblonden Haar. In Paschas Bericht wurde ergänzt, dass Golodkin Hofmann mit Prostituierten versorgt hatte, bis der Ostdeutsche im Januar die Verbindung zu ihm abgebrochen hatte.
    Von Ikonen war darin nicht die Rede.
    Auf Paschas Tonbandgerät lag eine Spule. Arkadi setzte Paschas Kopfhörer auf und schaltete das Gerät ein. Er fragte sich, weshalb Hofmann die Verbindung zu Golodkin gelöst hatte - und weshalb im Januar?
    Arkadi sprach nicht mehr so gut Deutsch wie in seiner Zeit als Rotarmist, als er bei einer Aufklärungskompanie in Ost-Berlin stationiert gewesen war, aber er verstand genug, um mitzubekommen, mit welchen brutalen Drohungen Hofmann rebellierende Studenten zur Räson brachte. Ihren Stimmen nach hatten sie alle Angst vor ihm. Hofmann hatte wirklich Grund, mit seiner Arbeit zufrieden zu sein: Sobald er ein bis zwei Studenten pro Tag eingeschüchtert hatte, war sein Soll erfüllt, so dass er sich Privatgeschäften widmen konnte. Wahrscheinlich schmuggelte er Kameras und Ferngläser aus der DDR und zwang seine verängstigten Studenten dazu, ihm Kurierdienste zu leisten.
    Ikonen interessierten ihn natürlich nicht; nur Besucher aus dem Westen kauften russische Ikonen.
    Dann hörte Arkadi die Stimme eines Anrufers, der Hofmann zu einem Treffen »am gewohnten Ort« aufforderte. Einen Tag später wies der Anrufer den Ostdeutschen an, vor dem Bolschoi-Theater auf ihn zu warten. Am Tag darauf fand das Treffen »am gewohnten Ort« statt; zwei Tage danach wurde ein neuer Treffpunkt vereinbart. Bei diesen in deutscher Sprache geführten Telefongesprächen wurden weder Namen genannt noch konkrete Themen angeschnitten. Es dauerte lange, bis Arkadi zu der Überzeugung gelangte, Hofmanns anonymer Gesprächspartner sei Osborne, denn Hofmann war niemals auf Osbornes Tonbändern zu hören gewesen. Osborne rief Hofmann an, der ihn offenbar nicht anrufen durfte, und telefonierte nur von Telefonzellen aus. Zwischendurch klang die Stimme des anonymen Anrufers wieder so anders, dass Arkadi an seiner Identifizierung zweifelte. Aber diese Zweifel hielten nicht lange an.
    Arkadi stellte zwei Tonbandgeräte nebeneinander und hörte sich abwechselnd Osbornes und Hofmanns Stimmen an. In seinem Aschenbecher häuften sich die Zigarettenstummel. Alles weitere war jetzt eine Frage der Geduld.
    Er begann mit Hofmanns Bändern aus dem Februar. Am 2. Februar dem Tag, an dem Osborne von Moskau nach Leningrad gereist war rief der Unbekannte an.
    »Das Flugzeug hat Verspätung.«
    »Verspätung?«
    »Trotzdem ist alles in Ordnung. Du machst dir unnütze Sorgen.«
    »Du etwa nie?«
    »Immer mit der Ruhe, Hans.«
    »Das gefällt mir nicht.«
    »Ob’s dir passt oder nicht, spielt jetzt keine Rolle mehr.«
    »Die neuen Tupolews sind als unzuverlässig bekannt.«
    »Ein Absturz? Du glaubst immer, dass nur die Deutschen gute Ingenieure sind.
    »Schon eine Verspätung ist riskant. In Leningrad…«
    »Ich bin schon früher in Leningrad gewesen. Ich bin dort mit Deutschen zusammengekommen. Keine Angst, alles klappt wie

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