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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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erschossen. Golodkin ist mir gleichgültig. Mir geht’s nur um den Mann, der den Kriminalbeamten erschossen hat. In Amerika wäre das bestimmt nicht anders. Als Kriminalbeamter können Sie sich vorstellen, wie es ist, wenn man einen Freund … «
    »Scheren Sie sich zum Teufel, Renko.«
    Arkadi merkte nicht einmal, dass er die primitive Schusswaffe hob. Er zielte zwischen Kirwills Augen und zog langsam den Abzug durch. Erst im letzten Augenblick bewegte er die Pistole eine Kleinigkeit zur Seite. Der Kleiderschrank bebte, und die Tür neben Kirwills Ohr wies ein etwa zwei Zentimeter großes Loch auf. Arkadi war verblüfft. Sein Leben lang war er noch nie so nahe daran gewesen, einen Menschen zu ermorden, und bei der geringen Treffsicherheit der Waffe hätte er Kirwill ebensogut treffen wie verfehlen können. Der Amerikaner war blass geworden.
    »Verschwinden Sie, solange Sie noch können«, sagte Kirwill heiser.
    Arkadi warf die Pistole aufs Bett. Er beugte sich gelassen über den Koffer und nahm die Pause des Röntgenbilds und das Zahnschema mit. Auch die Polizeiplakette steckte er ein.
    »Ich brauche meine Plakette.« Kirwill stand auf. »Nicht hier in Moskau«, wehrte Arkadi ab. Er verließ das Hotelzimmer. »Dies ist meine Stadt«, sagte er.
     
    Im Labor hatte um diese Zeit niemand mehr Dienst. Arkadi verglich die Pause der Röntgenaufnahme und das Zahnschema mit Lewins Unterlagen, während William Kirwill höchstwahrscheinlich unterwegs war, um seine Handfeuerwaffe Stück für Stück irgendwo in der Stadt wegzuwerfen. Als Arkadi in seinem Büro in der Nowokusnezkaja-Strasse saß und einen Bericht für Jamskoi tippte, war er sich darüber im klaren, dass Kirwill vermutlich bereits Zuflucht in der amerikanischen Botschaft gefunden hatte. Um so besser, denn das bestätigte nur, dass der dritte Tote im Gorki-Park James Kirwill gewesen war. Arkadi legte seinen Bericht auf den Schreibtisch von Jamskois Stellvertreter, der ihn morgens vorfinden würde.
    Das schrille Klingeln des Telefons riss Arkadi aus dem ersten Schlaf. Der Anrufer war Jakutski, der Kriminalbeamte in Ust-Kut, der sich zuerst erkundigte, wie spät es in Moskau sei.
    »Verdammt spät«, knurrte Arkadi. Ferngespräche zwischen Moskau und Sibirien schienen stets mit einer rituellen Feststellung der Zeitdifferenz zu beginnen.
    »Ich habe die Morgenschicht«, erklärte Jakutski ihm. »Ich kann Ihnen eine Mitteilung über Valeria Dawidowa machen.«
    »Ja?« fragte Arkadi, um die Kollegen in Ust-Kut nicht zu enttäuschen. »Die Dawidowa hat eine sehr gute Freundin gehabt, die aus Irkutsk nach Moskau gezogen ist, um dort zu studieren. Sie heißt Irina Asanowa. Falls Valeria Dawidowa nach Moskau gekommen ist, war sie garantiert bei der Asanowa.«
    »Danke.«
    »Ich rufe wieder an, sobald sich was ergibt«, versprach Jakutski ihm. »Jederzeit«, antwortete Arkadi und legte auf. Als das Telefon erneut klingelte, tastete Arkadi in der Dunkelheit danach und rechnete damit, dass Jakutski ihm irgendeine weitere »wichtige« Mitteilung machen würde. Er ließ sich mit dem Hörer in der Hand zurücksinken und knurrte seinen Namen.
    »Ich habe mir in Russland angewöhnt, zu nachtschlafender Zeit zu telefonieren«, sagte John Osborne.
    Arkadi war plötzlich hellwach. »Störe ich etwa?« fragte Osborne. »Nein.«
    »Wir mussten unser Gespräch im Bad unterbrechen, als es gerade interessant wurde, und ich fürchtete, dass wir uns vielleicht vor meiner Abreise aus Moskau nicht wieder begegnen würden. Passt Ihnen morgen früh um zehn Uhr, Chefinspektor? Auf dem Kai vor der Handelskammer?«
    »Ja.«
    »Wunderbar! Dann sehen wir uns dort.« Osborne legte auf. Arkadi konnte sich keinen Grund vorstellen, aus dem Osborne am nächsten Morgen an diesem Treffpunkt aufkreuzen sollte. Auch für sich selbst wusste er keinen.
    Arkadi wartete gegenüber der Sowjetisch-Amerikanischen Handelskammer, sah russische Sekretärinnen in den Büros, amerikanische Geschäftsleute und einen Pepsi-Automaten in der Kantine.
    Er zog an seiner Zigarette und musste husten.
    Arkadi leitete die Ermittlungen noch immer. Als erstes hatte Jamskoi am Morgen angerufen, um ihm mitzuteilen, es sei interessant, dass ein Amerikaner, der früher in Moskau studiert habe, körperliche Ähnlichkeiten mit einem der Toten aus dem Gorki-Park habe, und der Chefinspektor solle versuchen, diese Spur zu verfolgen. Aber Arkadi solle die Hände von Ausländern lassen und werde keine Tonbänder oder Gesprächsprotokolle

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