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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Aufmerksamkeit einer misstrauischen Babuschka oder eines Milizionärs zu erregen? Die Menschen sind so neugierig.«
    »Taxi.«
    »Nein, das ist für einen Ausländer zu riskant. Auf der Kaistrasse muss ein Freund mit einem Auto auf ihn gewartet haben; das ist sogar mir klar.«
    »Warum ist dieser Komplize dann nicht an der Tat beteiligt gewesen?«
    »Der?« Arkadi lachte. »Niemals! Der Komplize könnte keiner Fliege was zuleide tun.« Der Chefinspektor wurde wieder ernst. »Nein, der erste Mann, der Mörder, hat sich das alles sehr sorgfältig ausgedacht.«
    »Aber er ist mit dem Beutel gesehen worden?«
    Osborne machte sich offenbar Sorgen wegen eines möglichen Zeugen; auf diesen Punkt konnte man später zurückkommen.
    »Nicht weiter wichtig«, wehrte Arkadi ab. »Mich interessiert vor allem der Grund. Warum? Ich meine damit keinen Wertgegenstand - zum Beispiel eine Ikone. Warum sollte ein intelligenter Mann, der vermutlich erfolgreicher und wohlhabender als jeder Sowjetbürger ist, morden, um noch mehr zu bekommen? Könnte ich den Mann verstehen, wäre auch die Tat nicht mehr rätselhaft. Aber wie soll ich ihn verstehen können?« Er runzelte die Stirn. »Kann ich das überhaupt?«
    Osborne bot keinerlei Angriffsflächen. Arkadi hatte das Gefühl, an einer glatten, rutschigen Oberfläche zu kratzen. Wildleder, Zobel, Haut, Augen - überall nur Geld. Osborne glich einem Mann, aus dessen Poren auf magische Weise Geld troff. Wie sollte man diesen Menschen verstehen?
    »Wahrscheinlich nicht«, antwortete Osborne.
    »Sex als Motiv?« schlug Arkadi vor. »Ein einsamer Ausländer lernt eine hübsche Russin kennen und nimmt sie in sein Hotelzimmer mit. Bei der richtigen Art von Ausländern drückt das Hotelpersonal beide Augen zu. Der Mann und die junge Frau treffen sich regelmäßig. Eines Tages verlangt sie plötzlich Geld und kreuzt mit einem brutal aussehenden Ehemann auf. Sie ist eine berufsmäßige Erpresserin.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Die Perspektive stimmt nicht. Für westliche Ausländer sind die Russen hässlich.«
    »Tatsächlich?«
    »Im allgemeinen sind die hiesigen Frauen ungefähr so reizvoll wie Kühe. Deshalb lassen russische Autoren sich so oft über die Augen ihrer Heldinnen, ihre verschleierten und lockenden Blicke aus, weil es keine anderen körperlichen Attribute gibt, die eine Beschreibung lohnen würden. Die Männer sind schlanker, aber noch hässlicher. Eine auf Hässlichkeit gezüchtete Rasse, die als sexuell erregende Attribute lediglich Stiernacken und niedrige Stirnen aufzuweisen hat.«
    Arkadi glaubte, die Beschreibung einer Rasse von Troglodyten zu hören.
    »Ihrem Namen nach stammen Sie aus der Ukraine, nicht wahr?« fügte Osborne hinzu.
    »Ja. Wenn wir den sexuellen Aspekt beiseite lassen …«
    »Das halte ich für angebracht.«
    »… haben wir’s mit einem Verbrechen ohne Tatmotiv zu tun.« Arkadi runzelte die Stirn.
    Osborne starrte ihn an. »Erstaunlich! Sie verblüffen mich immer wieder. Ist das Ihr Ernst?«
    »O ja!«
    »Ein dreifacher Mord aus irgendeiner Laune heraus?«
    »Ja.«
    »Unglaublich.« Osborne wirkte plötzlich lebhaft. »Ich meine, das hätte ich einem Kriminalbeamten mit Ihrer Ausbildung nie zugetraut. Jedem anderen, nur nicht Ihnen.« Er holte tief Luft. »Gut, nehmen wir einmal an, Sie hätten es mit einem völlig willkürlichen Mord ohne Tatzeugen zu tun - wie groß wären dann Ihre Chancen, den Täter zu fassen?«
    »Sie wären gleich Null.«
    »Aber Sie rechnen doch mit dieser Möglichkeit?«
    »Nein. Ich wollte nur sagen, dass ich noch kein Tatmotiv entdeckt habe. Nur der Täter kann mir jetzt helfen.«
    »Wird er das tun?«
    »Wenn ich wie ein Frosch im Fluss untertauchen könnte, würde er mir selbst dorthin folgen.«
    »Warum?«
    »Weil ihm der Mord nicht genügt. Der Mord ist nur eine Hälfte der Tat. Glauben Sie nicht auch, dass es einem überlegenen Mann zu seiner persönlichen Befriedigung darauf ankommen muss, einem Ermittlungsbeamten wie mir das Eingeständnis seiner Ohnmacht und vielleicht sogar seiner Bewunderung abzuringen?«
    »Wäre das sehr schwierig, Chefinspektor?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.« Arkadi trat seine Zigarette aus.
    Sie hatten die Nowo-Arbatski-Brücke erreicht. Osbornes Limousine hielt neben ihnen.
    »Sie sind ein ehrlicher Mann, Chefinspektor«, sagte Osborne freundlich, als hätten Arkadi und er sich nach langen Auseinandersetzungen schließlich doch zusammengerauft. Er lächelte wie ein Charakterschauspieler bei

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