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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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mehr vom KGB erhalten.
    Nun, dachte Arkadi, Osborne hatte ihn angerufen und nicht umgekehrt. Wahrscheinlich hatte der »Freund der Sowjetunion« es ungnädig aufgenommen, dass ein Chefinspektor sich im Außenhandelsministerium nach ihm erkundigt hatte. Wie er das Gespräch auf Osbornes Geschäftsreisen bringen sollte, wusste er im Moment noch nicht. Er bezweifelte sowieso, dass Osborne überhaupt kommen würde.
    Um halb elf, eine halbe Stunde nach dem vereinbarten Zeitpunkt, hielt ein Tschaika vor der Handelskammer. Osborne stieg aus, erteilte dem Fahrer einen kurzen Auftrag und überquerte die Strasse. Er trug einen Wildledermantel. Auf seinem silbergrauen Haar saß eine schwarze Zobelmütze, die mehr gekostet haben musste, als der Chefinspektor im Jahr verdiente. Als Osborne grüßend die Hand hob, glänzte ein goldener Manschettenknopf auf. Bei Osborne wirkte dieser Luxus ganz natürlich; der Amerikaner besaß die Gabe, niemals fehl am Platz zu wirken, sondern alles um sich herum primitiv und schäbig aussehen zu lassen.
    Die beiden Männer standen sich einen Augenblick gegenüber. Dann griff der Geschäftsmann nach dem Arm des Chefinspektors und zog ihn rasch mit sich in Richtung Kreml. Die Limousine folgte ihnen.
    Osborne begann zu sprechen, bevor Arkadi etwas sagen konnte. »Ich hoffe, dass Sie mir die Eile nicht übel nehmen, aber ich muss zu einem Empfang im Handelsministerium und weiß, dass Sie nicht wollen würden, dass ich jemanden warten lasse. Kennen Sie den Minister für Außenhandel? Sie scheinen jedermann zu kennen und tauchen an den unerwartetsten Orten auf. Verstehen Sie etwas von Geld und Geschäften?«
    »Nein, nichts.«
    »Dann lassen Sie sich von mir informieren. Im Leningrader Pelzpalast finden jährlich zwei Auktionen statt: eine im Januar, die andere im Juli. An ihnen nehmen etwa hundert Einkäufer teil, darunter ungefähr zehn aus den Vereinigten Staaten. Versteigert werden in der Hauptsache Nerz, Marder, Fuchs, Iltis, Persianer und Zobel. Amerikaner interessieren sich im allgemeinen nicht für Nerze, weil russische Nerze bei uns nicht verkauft werden dürfen - eine bedauerliche Nachwirkung des kalten Krieges. Da ich Filialen in Europa habe, steigere ich bei allen Sorten mit, aber die meisten Amerikaner interessieren sich im Grunde genommen nur für Zobel. Wir reisen zehn Tage vor der Versteigerung an, um die Felle zu begutachten. Jeder Zobel muss auf Färbung und Fülle hin geprüft werden. Wird das Fell eine Woche zu früh gewonnen, ist es nicht dicht genug; bei einer Woche Verspätung fehlt der Glanz. Die Gebote werden in Dollar abgegeben, weil das die Abrechnung vereinfacht. Ich kaufe auf jeder Versteigerung für rund eine halbe Million Dollar Zobelfelle.«
    Arkadi merkte, dass er mit diesem Monolog gleichzeitig belehrt und ignoriert wurde.
    »Als alter Freund und Geschäftspartner bin ich durch Einladungen verschiedener anderer sowjetischer Institutionen geehrt worden. Beispielsweise bin ich letztes Jahr nach Irkutsk geflogen, um das dortige Pelzzentrum zu besichtigen. Mein gegenwärtiger Moskaubesuch hat geschäftliche Gründe. Jedes Frühjahr lädt das hiesige Handelsministerium einige Einkäufer ein und verhandelt mit ihnen wegen der Übernahme der bei der letzten Versteigerung übriggebliebenen Felle. Ich komme immer gern nach Moskau, weil ich hier viele Russen kennen gelernt habe. Nicht nur in den Ministerien, sondern auch Künstler und Leute vom Film - und jetzt sogar einen Chefinspektor, der Leiter der Mordkommission ist. Ich bedaure nur, dass ich die Maifeiern nicht mehr miterleben kann, aber ich fliege am Vorabend des Ersten Mai nach New York zurück.«
    Osborne klappte ein goldenes Zigarettenetui auf, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie sich im Gehen an. Osborne hatte seine Aktivitäten in der Sowjetunion so gezielt dargestellt, dass der Chefinspektor sich wie ein armes unwissendes Würstchen vorkommen musste. Er hatte keine Fragen mehr, außer so belastenden, dass sie nicht gestellt werden konnten.
    »Wie werden sie umgebracht?« fragte Arkadi.
    »Wer?« Osborne blieb stehen, aber sein Gesichtsausdruck bewies nicht mehr Interesse, als wenn Arkadi eine Bemerkung über das Wetter gemacht hätte.
    »Zobel.«
    »Durch eine Spritze. Völlig schmerzlos.« Osborne ging weiter, allerdings nicht mehr ganz so rasch.
    »Sie interessieren sich beruflich für alles, Chefinspektor?«
    »Ich finde Zobel faszinierend. Wie werden sie gefangen?«
    »Man kann ihre Baue ausräuchern.

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