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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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den Kopf oder aufs Herz zielen? Ein Kleinkalibertreffer an anderer Stelle würde einen Mann wie Kirwill kaum aufhalten.
    Kirwill setzte sich auf den Stuhl. Arkadi kniete nieder und untersuchte die Schuhe, ohne irgendein Geheimversteck zu finden. Kirwill beugte sich leicht nach vorn.
    »Ich bin nur neugierig«, wehrte er ab, als die Waffe hochzuckte. »Als Tourist bin ich sozusagen zur Neugier verpflichtet.«
    Arkadi warf ihm die Schuhe zu.
    »Anziehen und Schnürbänder zusammenknoten!«
    Als Kirwill damit fertig war, trat der Chefinspektor seitlich an ihn heran und kippte den Stuhl mit einer raschen Bewegung nach hinten an die Wand. Jetzt fühlte sich Arkadi erstmals in Kirwills Gegenwart einigermaßen sicher.
    »Was haben Sie jetzt vor?« fragte der Amerikaner spöttisch. »Wollen Sie die Einrichtung über mir auftürmen, um mich hier festzunageln?«
    »Ja, falls das notwendig werden sollte.«
    »Das kann leicht passieren.« Kirwill strahlte ein Selbstbewusstsein aus, das Arkadi schon bei anderen so kräftig gebauten Männern kennen gelernt hatte. Sie alle schienen zu glauben, ihre Kräfte seien unerschöpflich. Aber Arkadi verstand den Haß nicht, der aus dem Blick des Amerikaners sprach.
    »Mr. Kirwill, Sie haben gegen die Paragraphen fünfzehn und zweihundertachtzehn verstoßen - Sie haben Waffenteile in die Sowjetunion eingeschmuggelt und eine gefährliche Waffe hergestellt.«
    »Sie haben sie hergestellt, nicht ich.«
    »Sie sind in russischer Kleidung in Moskau unterwegs gewesen. Sie haben mit einem Mann namens Golodkin gesprochen. Warum?«
    »Sagen Sie’s mir doch!«
    »Weil James Kirwill tot ist«, stellte Arkadi fest, um den anderen zu schockieren.
    »Das wissen Sie natürlich am besten, Renko«, bestätigte Kirwill. »Schließlich haben Sie ihn umgebracht.«
    »Ich?«
    »Sie sind doch der Kerl, den ich neulich im Park zusammengeschlagen habe, oder? Ein Beamter der Staatsanwaltschaft, stimmt’s? Haben Sie Golodkin und mich nicht beschatten lassen, als wir uns im Park getroffen haben? Von einem kleinen Kerl mit Brille? Ich bin ihm nachgegangen und habe gesehen, wie er in einem KGB-Büro verschwunden ist. Das sagt doch alles!«
    »Woher wissen Sie meinen Namen?« fragte Arkadi.
    »Ich habe mich in der Botschaft erkundigt. Ich habe mit amerikanischen Korrespondenten gesprochen.
    Ich habe die letzten Jahrgänge der Prawda durchgeackert. Ich habe mit Leuten auf der Strasse geredet.
    Ich habe Ihr Leichenhaus überwacht. Ich habe die Staatsanwaltschaft beobachtet. Nachdem ich Ihren Namen rausgekriegt hatte, habe ich Ihre Wohnung überwacht. Sie selbst hab ich nie gesehen, aber ich habe beobachtet, wie Ihre Frau und ihr Geliebter die Wohnung ausgeräumt haben. Ich habe vor Ihrem Büro auf der Strasse gewartet, als Sie Golodkin heimgeschickt haben.«
    Arkadi wollte seinen Ohren nicht trauen. Hatte dieser Verrückte ihn tatsächlich beschattet, Fet zu Pribludas Büro verfolgt und Sonja gesehen? Hatte Kirwill in der Schlange hinter ihnen gestanden, als Pascha und er sich mittags angestellt hatten, um ein Bier vor dem Kiosk an der Ecke zu trinken?
    »Weshalb sind Sie gerade jetzt nach Moskau gekommen?«
    »Ich musste irgendwann kommen. Der Frühling ist eine gute Zeit auch für Leichen, die unter dem Eis gelegen haben. Eine gute Zeit für Leichen.«
    »Und Sie glauben, dass ich James Kirwill umgebracht habe?«
    »Vielleicht nicht persönlich, aber Sie und Ihre Freunde. Dabei spielt’s keine Rolle, wer den Finger am Abzug gehabt hat.«
    »Woher wissen Sie, dass er erschossen worden ist?«
    »Auf der Lichtung im Park ist tief gegraben worden. Nach Kugeln, stimmt’s? Jedenfalls ersticht man keine drei Leute. Ich wollte, ich hätte Sie im Park erkannt, Renko. Dann hätte ich Sie erledigt.«
    Aus Kirwills Stimme war Bedauern und Sarkasmus über diese verpasste Gelegenheit herauszuhören.
    Er sprach akzentfreies Russisch, aber die Klangfärbung seiner Stimme blieb typisch amerikanisch.
    Arkadi starrte ihn nachdenklich an. Wie hatte er einen Mann wie Kirwill übersehen können?
    »Sie sind nach Moskau gekommen, um in Ausländerkreisen Erkundigungen wegen eines Mordes einzuziehen«, stellte Arkadi fest. »Sie haben eine durchgepauste Röntgenaufnahme und ein Zahnschema mitgebracht. Wollten Sie dadurch unsere Ermittlungen unterstützen?«
    »Wenn Sie ein richtiger Kriminalbeamter wären … «
    »Unseren Unterlagen nach hat James Kirwill die Sowjetunion letztes Jahr verlassen; von einer Wiedereinreise ist offiziell nichts

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