Gorki Park
Idioten, das weiß jeder. Ein Feigling wie du. Nein, besser als du! Er hat wenigstens nicht völlig versagt. Fahr wieder nach Hause! Amüsier dich mit der Kuh, die du geheiratet hast. Bist du noch immer verheiratet?«
Arkadi nahm ihm die Zigarettenspitze ab, steckte eine Zigarette hinein, zündete sie an und gab sie zurück. Der General hustete nach dem ersten Zug.
»Ich bin zum Jahrestag der Oktoberrevolution in Moskau gewesen. Du hättest mich dort besuchen können. Below hat’s getan.«
Arkadi gab keine Antwort. Er zündete sich ebenfalls eine Zigarette an.
Der General wandte ihm zum erstenmal das Gesicht zu. Es glich einer Totenmaske. Die ehemals schwarzen Augen waren blind, durch grauen Star milchig weiß. »Du bist ein Schwächling!« sagte er.
»Du kotzt mich an!«
Arkadi sah auf seine Uhr. Die junge Frau würde in spätestens zwei Stunden aufwachen, und er wollte noch außerhalb von Moskau einkaufen.
»Du könntest längst General sein. Goworows Sohn befehligt den Militärbezirk Moskau. Mit meinem Namen hättest du noch schneller Karriere machen können als er. Ich hab schon immer gewusst, dass dir der Mumm zum Panzerkommandeur fehlt, aber du hättest wenigstens zu diesen Arschlöchern vom Nachrichtendienst gehen können.«
»Was war mit Mendel?«
»Bei dir fehlt einfach was. Weiß der Teufel, woran’s liegt, dass aus dir nichts geworden ist.«
»Hat Mendel die Deutschen erschossen?«
»Du kommst zehn Jahre lang nicht hierher - und dann fragst du mich nach einem Feigling, der längst unter der Erde liegt.«
Zigarettenasche fiel auf das Hemd des Generals. Arkadi beugte sich nach vorn und schnippte etwas Glut weg.
»Meine Hunde sind tot«, stellte der General aufgebracht fest. »Sie sind auf den Feldern auf ein paar Trottel mit Planierraupen gestoßen. Die Kerle haben sie erschossen! Bauernlümmel! Was haben Planierraupen da draußen zu suchen?« Er ballte eine kraftlose Faust. »Alles geht zu Bruch. Lauter Mistkäfer! Hörst du die Fliegen?«
Sie saßen einen Augenblick schweigend nebeneinander. Draußen plätscherte der Regen.
»Mendel ist tot. Er ist im Bett gestorben, wie er stets vorausgesagt hat. Und jetzt haben sie meine Hunde erschossen.« Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »In Riga gibt’s eine teure Spezialklinik, in die sie mich bringen wollen. Alles hochmodern, denn für Helden ist nichts zu schade. Ich dachte, du wärst deswegen gekommen. Ich hab Krebs - überall, im ganzen Körper. Deshalb soll ich in diese Klinik, aber ich gehe nicht, weil ich weiß, dass ich nie zurückkommen würde. Der Hexe hab ich nichts davon erzählt. Sie würde mich drängen, in die Klinik zu gehen, weil sie hofft, meine Pension zu kriegen. Und bei dir ist’s ähnlich, was?«
»Mir ist’s egal, wo du stirbst«, erwiderte Arkadi.
»Natürlich! Wichtig ist nur, dass ich dich reinlegen werde. Ich hab schon immer gewusst, warum du bei der Staatsanwaltschaft angefangen hast. Du wolltest eines Tages über mich herfallen, mit deinen Leuten hier rumschnüffeln und die ganze Geschichte wieder aufwärmen. Ist die Frau des Generals bei einem Bootsunfall umgekommen - oder hat er sie ermordet? Du hast es dir zur Lebensaufgabe gemacht, mich zu fassen. Aber ich sterbe vor dir, und du wirst nie erfahren, was wirklich passiert ist.«
»Das weiß ich schon seit Jahren.«
»Versuch nicht, mich zu täuschen. Du bist ein miserabler Lügner, bist es schon immer gewesen.«
»Das bin ich noch immer. Aber ich weiß genau, was passiert ist. Du hast sie nicht ermordet, und es ist auch kein Unfall gewesen. Sie hat Selbstmord verübt. Die Frau eines Helden der Sowjetunion hat sich selbst das Leben genommen.«
»Below …«
»Below hat mir kein Wort erzählt. Ich bin selber draufgekommen.«
»Warum hast du mich in all diesen Jahren nie besucht, wenn du gewusst hast, dass ich’s nicht gewesen bin?«
»Wenn du gewusst hast, warum sie Selbstmord verübt hat, müsstest du imstande sein, diese Frage selbst zu beantworten. Das ist kein Geheimnis; es hängt nur mit der Vergangenheit zusammen.«
Der General sank in seinen Korbsessel zurück. Im nächsten Augenblick schoss seine Hand nach vorn, um Arkadi daran zu hindern, aufzustehen und zu gehen. Aber sein Sohn nahm ihm nur die Zigarettenspitze mit dem abgebrannten Stummel aus der Hand.
»Ich hab dir meinen ehrlichen Namen gegeben, und du kommst als windiger kleiner Schnüffler hierher, um dich nach einem Feigling zu erkundigen, der den ganzen Krieg in der Etappe
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