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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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verbracht hat? Ein hundsgewöhnlicher Spürhund, ist das alles, was du geworden bist? Nennst du das ein Leben? Hast du nichts Besseres zu tun, als diesem Mendel nachzuschnüffeln?«
    »Ich weiß über dich Bescheid.«
    »Und ich über dich! Wahrscheinlich nur zu gut. Ein Weltverbesserer, ein Waschlappen …« Die Hand des Generals sank herab. Er machte eine Pause und legte den Kopf schief. »Wo bin ich stehen geblieben?«
    »Bei Mendel.«
    Arkadi erwartete weitere Tiraden, aber zu seiner Überraschung kam der General sofort zur Sache.
    »Eine amüsante Geschichte. Vor Leningrad sind ein paar deutsche Offiziere in Gefangenschaft geraten, und Mendel sollte sie verhören. Aber Mendel konnte kaum Deutsch, deshalb hat ein Amerikaner - seinen Namen hab ich vergessen - ihm angeboten, das Verhör für ihn zu übernehmen.
    Der Amerikaner war ein netter Kerl - jedenfalls für einen Ami. Sympathisch, liebenswürdig. Die drei Deutschen haben ihm alles erzählt. Danach ist er mit ihnen zu einem Picknick in den Wald gefahren und hat sie erschossen. Einfach so, aus Spaß. Kritisch wurde die Sache nur deshalb, weil sie eigentlich gar nicht erschossen werden sollten, so dass Mendel einen falschen Bericht über einen angeblichen Überfall schreiben musste. Der Amerikaner hat die Untersuchungskommission bestochen, und Mendel hat dafür den Leninorden gekriegt. Ich hab ihm schwören müssen, ihn nie zu verraten, aber da du mein Sohn bist …«
    »Vielen Dank.«
    Arkadi stand erschöpfter auf, als er es für möglich gehalten hätte; er stolperte zur Tür.
    »Kommst du bald wieder?« fragte der General. »Es tut gut, sich mal wieder aussprechen zu können.«
     
    Der Pappkarton enthielt Milch, Tee, Eier, Brot, Zucker, Teller und Tassen, eine Bratpfanne, Seife, Shampoo, Zahnpasta und eine Zahnbürste alles auf der Rückfahrt nach Moskau gekauft -, und Arkadi beeilte sich, den Kühlschrank zu erreichen, bevor der Boden durchbrach. Als er die Lebensmittel verstaute, hörte er Irina hinter sich.
    »Nicht umdrehen!« befahl sie, griff nach Seife und Shampoo und verschwand wieder. Er hörte, wie sie ein Bad einließ.
    Arkadi blieb im Wohnzimmer, hockte auf dem Fensterbrett und kam sich dumm vor, weil er nicht ins Schlafzimmer hinüberging, obwohl es hier keine richtige Sitzgelegenheit gab. Der Regen hatte aufgehört, aber auf der Strasse waren noch immer keine »unauffälligen« Gestalten zu sehen. Das wunderte Arkadi, denn Pribluda war sonst nicht so zurückhaltend. Der Chefinspektor dachte an sein Gespräch mit dem General. Osborne hatte die drei Deutschen (»Ich bin schon früher in Leningrad gewesen«, hatte Osborne in einer der Aufnahmen gesagt. »Ich bin dort mit Deutschen zusammengekommen.«) auf genau die gleiche Weise wie die drei Opfer im Gorki-Park erschossen.
    Arkadi hätte gern gewusst, wer die von Mendel und Osborne bestochenen Mitglieder der Untersuchungskommission gewesen waren. Welche ruhmreichen Nachkriegskarrieren mochten die wohl gemacht haben?
    Er spürte, dass Irina an der Schlafzimmertür stand, noch bevor er sie sah. Sie trug ein Bettuch, in das sie Löcher für Kopf und Arme geschnitten hatte und das sie mit einem Gürtel Arkadis zusammenhielt; ein Handtuch war wie ein Turban um ihr nasses Haar geschlungen, und sie war barfuss. Irina konnte höchstens ein paar Sekunden an der Tür gestanden haben; trotzdem hatte Arkadi wie bei ihrem ersten Zusammentreffen den Eindruck, ihr Blick ruhe schon weit länger auf ihm - als beobachte sie irgendeine Besonderheit in ihrem Blickfeld. Dabei fiel ihm auf, dass ihr Gesicht leicht nach rechts gewandt war. Er erinnerte sich daran, was Lewin ihm erzählt hatte, und betrachtete mitleidig das schwach erkennbare blaue Mal auf ihrer Wange.
    »Na, wie fühlen Sie sich?«
    »Sauberer.«
    Ihre Stimme klang rau, weil sie sich kurz zuvor hatte übergeben müssen - eine Nachwirkung der Sulfazininjektionen.
    Trotzdem zeigte ihr Gesicht inzwischen frischere Farben. Sie sah sich um.
    »Ich muss mich für den Zustand meiner Wohnung entschuldigen«, sagte Arkadi. »Meine Frau hat einen kleinen Frühjahresputz veranstaltet. Sie hat ein paar Sachen weggeschafft.«
    »Und sich selbst wohl auch?«
    »Richtig.«
    Irina trat mit verschränkten Armen an den Herd mit der Bratpfanne und dem neuen Geschirr.
    »Warum haben Sie mir letzte Nacht das Leben gerettet?« fragte sie.
    »Sie sind für meine Ermittlungen wichtig.«
    »Ist das der einzige Grund?«
    »Welchen anderen sollte ich haben?«
    Sie warf einen

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