Gorki Park
aus?« erkundigte Schwan sich.
»Weil wir was getan haben«, antwortete Kirwill.
»Der Mann war ein Sibirier, und er hat mit Holz und Farben gearbeitet«, verteidigte sich der Zigeuner.
»Mehr habt ihr mir nicht gesagt.«
»Wir hätten ihm weitere Informationen geben müssen«, stimmte Kirwill zu.
Welche? fragte sich Arkadi. James Kirwill hatte sich die Haare gefärbt, aber das Färbemittel war vermutlich von der Dawidowa gekauft worden.
»Wovon war im Laborbericht noch die Rede?« fragte Kirwill. »Von Gips und Sägemehl, wonach wir bereits gesucht haben«, erwiderte der Chefinspektor.
»Von sonst nichts?«
»Blut. Sie sind schließlich erschossen worden.«
»Irgendwas anderes an ihrer Kleidung?«
»Tierblut«, bestätigte Arkadi. »Fisch- und Hühnerblut.« Er sah zu Schwan hinüber. »Fisch und Huhn«, wiederholte er.
»Ich kenne eure Läden zur Genüge«, stellte Kirwill fest. »So frisches Fleisch, dass es noch blutet, gibt’s da bestimmt nicht.«
Ausgeblutete, blasse Hühner und Tiefkühlfisch gab es überall zu kaufen. Aber frischgeschlachtetes Geflügel oder lebende Fische waren exorbitant teuer und - außerhalb der für die sowjetische Elite oder für Ausländer reservierten Läden - nur auf dem privaten Markt zu bekommen. Arkadi ärgerte sich, weil er nicht selbst auf diese naheliegende Idee gekommen war.
»Ein kluger Kopf.« Schwan nickte zu Kirwill hinüber.
»Versucht festzustellen, wo die drei lebende Hühner und Fische herbekommen haben«, befahl Arkadi.
Schwan und der Zigeuner zogen ab. Kirwill lehnte weiter an dem aufgebockten Wagen, Arkadi hatte sich auf die Werkbank gesetzt. Der Chefinspektor holte die New Yorker Polizeiplakette aus der Innentasche seiner Jacke und warf sie Kirwill zu.
»Was halten Sie davon, wenn ich zu Ihnen überlaufe?« fragte der Amerikaner. »Ich schätze, hier wäre ich der reinste Supermann.«
»Das mit den anderen Blutflecken war eine gute Idee«, gab Arkadi widerstrebend zu.
»Woher haben Sie die Platzwunde auf der Stirn? Wo sind Sie letzte Nacht noch gewesen?«
»Ich bin in die Kneipe zurückgegangen und ins Klo gefallen.«
»Soll ich die Antwort mit Fußtritten aus Ihnen rausholen?«
»Was wäre, wenn Sie sich dabei eine Zehe brechen würden? Sie müssten zur Behandlung in ein russisches Krankenhaus - und mindestens sechs Wochen dort bleiben. Natürlich kostenlos.«
»Warum nicht? Dann hätte ich wenigstens mehr Zeit.«
»Kommen Sie!« Arkadi stand von der Werkbank auf. »Sie haben eine Belohnung verdient.«
Im Kaufhaus GUM war Musik ein ernstes Geschäft. Feierliche Stille in der Musikabteilung sollte es jungen Käufern wohl schmackhafter machen, die offiziellen 20 Rubel für eine Geige mit Bogen und nicht die verbotenen 480 Rubel für ein blitzendes Saxophon auszugeben. Ein pockennarbiger Mann griff nach einem Saxophon, bewunderte es, spielte mit den Klappen und begrüßte Arkadi mit einem unter Kollegen üblichen vagen Nicken. Arkadi erkannte in ihm den zweiten Mann aus dem U-Bahntunnel. Ein Blick in die Runde zeigte ihm, dass sich ein weiterer KGB-Agent für Akkordeons interessierte. Als er mit Kirwill weiterschlenderte, legten die beiden Musikliebhaber ihre Instrumente weg und folgten ihnen diskret.
Kirwill betrachtete die Stereoanlage, vor der Arkadi stehen blieb. »Wo ist der Kerl, Renko? Arbeitet er hier?«
»Sie haben sich doch wohl nicht eingebildet, dass ich Sie hier mit ihm bekannt machen würde?«
Arkadi holte eine Tonbandspule aus der Manteltasche und legte das Band in ein Tonbandgerät der Marke Rekord ein; dasselbe Modell hatte er im Hotel Ukraina. Kirwill setzte sich den zweiten Kopfhörer auf. Der Pockennarbige beobachtete sie von der Fernsehabteilung aus. Sein Begleiter war verschwunden - wahrscheinlich gab er Kirwills Personenbeschreibung durch.
Arkadi drückte auf die START-Taste. Er hörte das Gespräch vom 2. Februar zwischen Osborne und Hofmann.
»Das Flugzeug hat Verspätung.«
»Verspätung?«
»Trotzdem ist alles in Ordnung. Du machst dir unnütze Sorgen.«
»Du etwa nie?«
»Immer mit der Ruhe, Hans.«
»Das gefällt mir nicht.«
»Ob’s dir passt oder nicht, spielt jetzt keine Rolle mehr.«
»Die neuen Tupolews sind als unzuverlässig bekannt.«
»Ein Absturz? Du glaubst immer, dass nur die Deutschen gute Ingenieure sind.«
»Schon eine Verspätung ist riskant. In Leningrad…«
»Ich bin schon früher in Leningrad gewesen. Ich bin dort mit Deutschen zusammengekommen. Keine Angst, alles klappt wie
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