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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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in den Hof hinunter. Dort war nichts Verdächtiges zu entdecken. Er musste sie fortschaffen, hatte aber keine Ahnung, wohin. Jedenfalls nicht in ihre Wohnung. Hotels schieden ebenfalls aus, denn am Wohnort durfte man sich kein Hotelzimmer nehmen. (Welchen guten Grund konnte ein Sowjetbürger auch für solche Extravaganzen haben?) Er würde sich etwas einfallen lassen müssen.
    Vier Stunden Schlaf mussten genügen. Seine Ermittlungen duldeten keinen weiteren Aufschub. Er spürte, wie Erregung in ihm aufstieg und ihn vorwärtstrieb. - Die junge Frau schlief fest. Arkadi schätzte, dass Irina noch einige Stunden weiterschlafen würde. Bis dahin war er zurück. Er musste den General besuchen.
     
    Die Entusiasten-Chaussee, auf der einst für Verbannte der lange Fußmarsch nach Sibirien begann, führte an den Traktorenwerken »Hammer und Sichel« vorbei zur Strasse Nr. 89, einem schmalen Betonband, das durch eine eintönig flache Landschaft mit erdbraunen Dörfern in Richtung Ural verlief. Arkadi fuhr 40 Kilometer weit, bevor er auf einer ungeteerten Landstrasse nach Norden abbog, um vor dem Dorf Balobanowo auf einen Waldweg einzubiegen. Die Bäume standen hier so dicht, dass in ihrem Schatten an einigen Stellen noch immer Schnee lag. An einer Wegbiegung schimmerte die Kliasma durch die Bäume.
    Arkadi hielt vor einem eingerosteten Eisentor und ging das letzte Stück zu Fuß. Hier war seit Jahren niemand mehr gefahren. Der Weg war mit vertrocknetem Gras überwuchert. Ein Fuchs schnürte dicht vor Arkadi über den Weg, und er machte sich automatisch auf das Kläffen der Hunde des Generals gefasst, aber es blieb aus. Das einzige Geräusch war das leise Rauschen des Regens in den Bäumen.
    Nach zehn Minuten erreichte Arkadi ein zweigeschossiges Landhaus mit einem steilen Blechdach. Die Dachrinnen waren an zahlreichen Stellen durchgerostet, rostbraunes Wasser leckte auf die Fassade.
    Das Balkongeländer war halb heruntergebrochen, die Terrasse mit den Überresten von Korbsesseln von Unkraut überwuchert. Auf dem Rasen wuchsen schlanke Fichten und dünne Ulmen, die die Atmosphäre völliger Verwahrlosung und Verlassenheit noch unterstrichen.
    Die Haustür wurde ihm von einer alten Frau geöffnet, deren anfängliche Verblüffung sich in einen hasserfüllten Blick und ein verächtliches Verziehen der grellrot geschminkten Lippen verwandelte. Sie wischte sich die Hände an einer schmutzigen Schürze ab. »Na, das ist aber ‘ne Überraschung!« sagte sie mit der leiernden Stimme einer Gewohnheitstrinkerin.
    Arkadi trat ein. Die Polstermöbel waren mit Laken abgedeckt, die Vorhänge grau wie Leichentücher.
    Über dem offenen Kamin, in dem alte Asche lag, hing ein Ölporträt Stalins. In einem Gewehrschrank standen eine Mosin-Nagant und zwei Militärkarabiner. »Wo ist er?« fragte Arkadi.
    Sie nickte zur Bibliothek hinüber. »Sag ihm, dass ich mehr Geld brauche«, forderte sie ihn mit lauter Stimme auf. »Und eine Hausgehilfin, aber zuerst mehr Geld.«
    Arkadi ließ sie stehen und öffnete die Tür unter der Treppe zum ersten Stock.
    Der General saß in einem Korbsessel beim Fenster. Er hatte ein ähnlich schmales, männliches Gesicht wie Arkadi, aber seine Haut war wie Papier, die Augenbrauen wirkten wie weiße Raupen, und der zurückgewichene Haaransatz gab eine hohe Stirn mit deutlich sichtbaren Adern an den Schläfen frei.
    Er trug einfache Bauernkleidung: ein weites Hemd, grobe Hosen und kräftige Stiefel. In seinen blassen Händen hielt er eine lange Zigarettenspitze, in der jedoch keine Zigarette steckte.
    Arkadi zog sich einen Korbsessel heran. In der Bibliothek standen zwei Büsten, eine von Stalin und eine des Generals. Auf gerahmtem roten Filz prangten die Auszeichnungen des Generals - darunter zwei Leninorden. Alles - Möbel, Bücher, Fotos und Erinnerungsstücke aus dem Großen Vaterländischen Krieg - war mit einer Staubschicht bedeckt. »Du bist’s also«, sagte der General. Er hob anklagend seine Zigarettenspitze. »Sag der Hexe, dass sie in die Stadt fahren und sich ihr Geld auf dem Rücken verdienen soll, wenn sie mehr braucht.«
    »Ich bin hergekommen, um dich nach Mendel zu fragen. Ich brauche eine Auskunft über ihn.«
    »Er ist tot, das steht fest.«
    »Er hat damals den Leninorden gekriegt, weil er vor Leningrad einen deutschen Stoßtrupp aufgerieben hat. Er war einer deiner besten Freunde.«
    »Er war ein Scheißkerl! Deshalb ist er im Außenministerium untergekommen. Dort nehmen sie nur Diebe und

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