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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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eigenen Landsleuten zu vertrauen.«
    »Auf Landsleute wie Sie kann ich verzichten!«
    »Sie sind eine Heuchlerin. Kostja Borodin ist wenigstens ein richtiger Russe gewesen, obwohl er ein Bandit war. Hat er gewusst, was für eine Heuchlerin Sie sind?«
    Irina zog so stark an ihrer Zigarette, dass die Glut ihr Gesicht rötlich erhellte.
    »Falls Kostja ins Ausland wollte, hatte er einen verständlichen Grund dafür, denn er wurde steckbrieflich gesucht«, fuhr Arkadi fort. »Das ist ein achtbarer Grund. Unter anderen Umständen wäre er bestimmt geblieben. Was hat Kostja von Ihren antisowjetischen Tiraden gehalten? Wie oft hat er Valeria erzählt, ihre Freundin Irina Asanowa sei ein falsches Biest? Das würde er auch jetzt sagen, wenn er hier wäre.«
    »Sie sind widerlich!«
    »Gut, was hat Kostja der Bandit gesagt, als Sie sich ihm als Dissidentin vorgestellt haben?«
    »Davor haben Sie Angst, was? Sie fürchten sich vor einer Dissidentin in Ihrer Wohnung.«
    »Haben Sie schon mal jemand Angst eingejagt? Aber seien Sie ehrlich! Wer schert sich um sogenannte Intellektuelle, die von der Universität fliegen, weil sie mit den hiesigen Verhältnissen unzufrieden sind? Geschieht ihnen recht!«
    »Sie haben wohl nie von Solschenizyn gehört?«
    »Ich habe von seinem Bankkonto in der Schweiz gehört«, erwiderte Arkadi spöttisch.
    »Oder von sowjetischen Juden?«
    »Sie meinen Zionisten. Die haben ihre eigene Sowjetrepublik - was wollen sie noch mehr?«
    »Oder von der Tschechoslowakei?«
    »Sie meinen die Ereignisse, die dazu geführt haben, dass die dortige Regierung uns zur Hilfe gerufen hat? Sie haben wohl noch nie von Vietnam, Chile oder Südafrika gehört? Vielleicht fehlt Ihnen der große Überblick, Irina. Sie scheinen zu glauben, dass die Sowjetunion nur existiert, um Ihnen das Leben zur Hölle zu machen.«
    »Was Sie da sagen, glauben Sie doch wohl selbst nicht!«
    »Ich kann Ihnen verraten, was Kostja Borodin von Ihnen gehalten hat«, fuhr Arkadi fort. »Er hat geglaubt, Sie wollten die Lust empfinden, verfolgt zu werden, ohne den Mut zu haben, selbst straffällig zu werden.«
    »Immer noch besser als ein Sadist, der nicht den Mut hat, seine Fäuste zu gebrauchen!« sagte Irina mit tränenerstickter Stimme.
    Sie hatte vor Zorn Tränen in den Augen. Er beobachtete das verräterische Glitzern überrascht. Das Schlachtfeld hatte sich ins Schlafzimmer verlagert, wo das einzige in der Wohnung verbliebene Möbelstück stand.
    Sie saßen auf gegenüberliegenden Bettkanten und drückten ihre Zigaretten in Untertassen aus. Irina war zur Abwehr des nächsten Angriffs bereit: Sie hob tapfer den Kopf und hielt ihre Arme trotzig verschränkt.
    »Sie wünschen sich den KGB«, stellte er seufzend fest. »Sie wollen Gorillas, Folterknechte und Mörder.«
    »Sie wollten mich dem KGB übergeben, stimmt’s?«
    »Richtig, das wollte ich«, gab er zu. »Ich hab’s mir zumindest eingebildet.«
    Sie beobachtete seine Silhouette, als er vor den Fenstern auf und ab ging.
    »Hab ich Ihnen schon erzählt, wie Osborne die drei umgelegt hat?« fragte er sie. »Er hat Valeria, Kostja und den amerikanischen Studenten Kirwill zum Schlittschuhlaufen eingeladen.
    Aber das wissen Sie ja - schließlich haben Sie Valeria Ihre Schlittschuhe geliehen -, und Sie wissen auch, dass Osborne russische Felle aufkauft, während Sie vielleicht nicht ahnen, dass er sich nebenbei als KGB-Spitzel betätigt. Aber das langweilt Sie natürlich. Gut, nachdem die vier eine Zeitlang auf Schlittschuhen durch den Gorki-Park gelaufen sind, gehen sie auf eine Lichtung, um eine kleine Erfrischung zu sich zu nehmen. Der Millionär Osborne hat alles mitgebracht.«
    »Das denken Sie sich erst jetzt aus!«
    »Wir haben den Lederbeutel, in dem er die Erfrischungen mitgebracht hat; wir haben ihn aus dem Fluss geholt. Während alle essen, hebt Osborne den Beutel und zielt mit der darin versteckten Pistole auf Kostja. Er erschießt Kostja als ersten, dann bricht Kirwill mit einem Herzschuss zusammen. Eins, zwei, fertig! Erstaunlich kaltblütig, nicht wahr?«
    »Sie tun gerade so, als wären Sie dabei gewesen.«
    »Mir ist nur eines rätselhaft: Warum hat Valeria nicht um Hilfe gerufen, als Osborne die beiden Männer erschoss? Natürlich war die Lautsprechermusik im Park sehr laut, aber sie hat nicht einmal versucht, vor Osborne zu fliehen. Sie ist ruhig stehen geblieben, so dass er aus nächster Nähe zielen und abdrücken konnte. Warum hat Valeria das getan, Irina? Sie sind

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