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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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ausließ? Der Inspektor, der ihn ablöste, musste den Eindruck erhalten, bisher sei kaum ermittelt worden. Er würde mit neuen Kriminalbeamten von vorn anfangen. Das einzige Problem war dann der ehemalige Chefinspektor.
    Nikitin kam mit einer Flasche und zwei Gläsern herein. Der Chefinspektor für interbehördliche Zusammenarbeit hatte ein angemessen bedauerndes Grinsen aufgesetzt.
    »Ich hab eben gehört, was passiert ist. Verdammtes Pech! Du hättest zu mir kommen sollen.« Nikitin schenkte Wodka ein. »Du bist immer viel zu verschlossen. Das hab ich dir schon oft gesagt. Keine Angst, wir finden irgendwas für dich. Ich kenne ein paar Leute; wir besorgen dir irgendwas. Trink einen Schluck! Nicht auf gleicher Ebene, versteht sich, aber du arbeitest dich bestimmt wieder hoch. Mir fällt schon irgendwas für dich ein. Ich hab dich ohnehin nie für einen geborenen Chefinspektor gehalten.«
    Arkadi erkannte jetzt, dass er alle bedeutsamen Warnsignale übersehen hatte: Eindeutige Hinweise, die einem wacheren Chefinspektor gezeigt hätten, in welche Richtung er seine Ermittlungen steuern musste und welche es zu meiden galt. Nikitin, Lewin, Jamskoi und sogar Irina Asanowa hatten ihn zu warnen versucht, aber er war unbelehrbar geblieben.
    »… mich nicht an einen Chefinspektor erinnern, der abgesägt worden wäre«, sagte Nikitin gerade.
    »Diese Unkündbarkeit ist eben der große Vorteil unseres Systems! Dass du’s geschafft hast, trotzdem rauszufliegen, sieht dir wieder mal ähnlich!«
    Arkadi schloss die Augen, als Nikitin ihm plumpvertraulich zublinzelte. Der andere beugte sich nach vorn. »Was wird Sonja zu dieser Überraschung sagen?« fragte er.
    Der Chefinspektor öffnete die Augen und sah Nikitin erwartungsvoll auf der Stuhlkante hocken. Er wusste nicht, weshalb Nikitin zu ihm gekommen war, und hatte kaum auf das gehört, was er gesagt hatte, aber er wusste plötzlich, dass sein ehemaliger Mentor, dieser Opportunist mit dem runden Gesicht und dem allzu beflissenen Gesichtsausdruck, stets überleben würde. Manche Männer starben, andere fielen in Ungnade und wurden entlassen. Nikitin lauerte auf alle wie ein Grabräuber.
    Das Telefon klingelte. Arkadi nahm langsam den Hörer ab. Das Außenministerium meldete auf seine Anfrage, dass in den Monaten Januar und Februar lediglich eine einzige Ausfuhrgenehmigung für einen »religiösen Schrein« beantragt und erteilt worden sei - an den DDR-Bürger H. Hofmann. Der Schrein sei am 3. Februar auf dem Luftweg von Moskau nach Leningrad und von dort aus mit dem Zug über Wiborg nach Helsinki transportiert worden. Arkadi bedankte sich und legte auf. Es gab also einen Schrein, und Hofmann hatte ihn ausgeführt!
    »Kann ich irgendwas für dich tun?« erkundigte Nikitin sich mit gespieltem Mitgefühl.
    Arkadi zog die unterste Schublade seines Schreibtischs auf und nahm eine Makarow - seine noch nie benützte Dienstpistole - und eine Schachtel mit 9mm-Patronen heraus. Er zog das Magazin aus dem Griff, drückte acht Patronen hinein und schob das volle Magazin wieder in den Pistolengriff.
    »He, was tust du da?« Nikitin beobachtete ihn mit großen Augen. Arkadi hob die Pistole, entsicherte sie und zielte auf Nikitins Gesicht, das mit offenem Mund dem eines Guppys glich. »Ich habe Angst«, sagte er. »Ich dachte, du würdest mir dabei Gesellschaft leisten wollen.«
    Nikitin sprang auf und verschwand. Arkadi zog seinen Mantel an, steckte die Pistole in die Manteltasche und ging hinaus.
     
    Als er die Wohnung betrat, warf Irina einen Blick über seine Schulter, als erwarte sie, weitere Männer hinter ihm auftauchen zu sehen. »Ich dachte. Sie wurden mich jetzt verhaften«, sagte sie.
    »Warum sollte ich Sie verhaften wollen?« Er trat ans Fenster, um die Strasse beobachten zu können.
    »Früher oder später werden Sie das tun.«
    »Ich habe die beiden daran gehindert, Sie zu ermorden.«
    »Das war leicht. Sie halten Mord und Verhaftung noch immer für verschiedene Dinge. Sie sind noch immer der typische Chefinspektor.«
    Durch das lange Tragen zeichnete ihr Kleid ihren Körper inzwischen noch deutlicher nach. Irina war barfuss und bewegte sich fast lautlos. Arkadi fragte sich, ob Pribluda die Wohnung unter ihnen beschlagnahmt hatte und ob sie auf einem Spinnennetz von Mikrofonen standen.
    Irina hatte gründlich geputzt. Die saubere, leere Wohnung wirkte eigenartig farblos und luftlos. Irina nahm sich darin aus wie Feuer in einem Vakuum.
    »Gut, heute verstecken Sie mich noch«,

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