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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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vorgesehen.« Nach dem Klick! des aufgelegten Telefonhörers drückte Kirwill auf die Stop-Taste, spulte das Band zurück und spielte es erneut ab. Nach der zweiten Wiederholung nahm Arkadi die Tonbandspule an sich.
    »Ein Deutscher und ein Amerikaner.« Kirwill setzte seinen Kopfhörer ab. »Der Deutsche heißt Hans. Wer ist der Amerikaner?«
    »Ich glaube, dass er Ihren Bruder ermordet hat.«
    Ein Padoga-Farbfernseher für 650 Rubel zeigte eine Sprecherin vor einer Weltkarte. Der Ton war abgestellt. Arkadi suchte automatisch nach dem Namen des Werks, aus dem der Apparat stammte; die Qualitätsunterschiede der einzelnen Werke waren enorm. »Damit kann ich nichts anfangen«, protestierte Kirwill. Er schüttelte den Kopf. »Sie halten mich nur hin.«
    »Vielleicht sind Sie mir später dafür dankbar.« Arkadi schaltete um und erwischte ein Programm, in dem eine Volkstanzgruppe lautlos über den Bildschirm wirbelte. Dann stellte er das Gerät ab und sah in der Spiegelung des dunklen Bildschirms, dass am Ende des Ganges wieder zwei Männer in Hut und Mantel standen. Der zweite Mann war also wieder da. »Sehen Sie die beiden dort hinten?« fragte Arkadi. »Ich bezweifle, dass sie sich an einen amerikanischen Touristen heranwagen würden, aber sie wissen vielleicht nicht, dass Sie einer sind.«
    »Sie haben uns beschattet, seit wir von der Werkstatt weggefahren sind.« Kirwill betrachtete den Bildschirm. »Ich hielt sie für Ihre Leute.«
    »Nein.«
    »Auf Ihrer Seite stehen wohl nicht viele, was, Renko?«
    Arkadi und Kirwill trennten sich in der Petrowka-Strasse. Der Chefinspektor ging zum Milizhauptquartier, der Lieutenant kehrte ins Hotel Metropol zurück. Schon nach 50 Metern blieb Arkadi stehen und zündete sich eine Zigarette an. Auf dem Gehsteig drängten sich Werktätige, die nach der Arbeit einkauften: stoische Armeen, die langsam an Schaufensterfronten vorbeimarschierten.
    In der Ferne erkannte er Kirwills hünenhafte Gestalt. Der Amerikaner pflügte wie ein Eisbrecher durch die Menge, ohne auf seine beiden Verfolger in Hut und Mantel zu achten.
    Arkadi machte sich auf die Suche nach dem Zigeuner.
    Der Wohnwagen war orangegrün und mit blauen Sternen und kabbalistischen Zeichen bemalt. Ein nacktes Baby krabbelte die breite Treppe zum Feuer hinunter, wurde auf den bunten Rock seiner Mutter gehoben und trank aus ihrer braunen Brust. Ein halbes Dutzend alter Weiber und kleiner Mädchen saß mit einem uralten Mann am Feuer. Die übrigen Männer der Sippe standen um einen Wagen herum: alle in schmutzigen Anzügen, mit Hüten und Schnurrbärten. Selbst die Jüngsten hatten schon einen dunklen Schatten auf der Oberlippe. Hinter dem Hippodrom ging die Sonne unter.
    Auf allen Feldern in der Umgebung der Rennbahn waren Zigeunerlager aus dem Boden geschossen.
    Aber Arkadis Zigeuner war verschwunden, wie der Chefinspektor erwartet hatte. Es war sicher nicht Schwan, der ihn verpfiffen hatte.
     
    Als er nach Hause kam, war es in der Wohnung so still, dass Arkadi glaubte, Irina sei fort, aber als er ins Schlafzimmer kam, saß sie im Schneidersitz auf dem Bett. Sie trug ihr Kleid, das eingegangen war, weil er es unsachgemäß gewaschen hatte.
    »Sie sehen besser aus.«
    »Natürlich«, bestätigte sie. »Hungrig?«
    »Wenn Sie jetzt essen, esse ich eine Kleinigkeit mit.«
    Irina war ausgehungert. Sie aß zwei Teller Kohlsuppe und einen Riegel Schokolade als Nachtisch.
    »Warum haben Sie sich gestern Abend mit Osborne getroffen?«
    »Ich habe mich nicht mit ihm getroffen.« Sie bediente sich aus seiner Zigarettenpackung, ohne zu fragen.
    »Warum hat Osborne Sie Ihrer Meinung nach von den beiden Männern überfallen lassen?«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden!« behauptete die junge Frau.
    »Sie sind in der U-Bahn überfallen worden. Ich bin selbst dabei gewesen.«
    »Dann vernehmen Sie sich doch selbst!«
    »Halten Sie dies für eine Vernehmung?«
    »Ja, für ein Verhör, das von Männern in der Wohnung unter uns aufgezeichnet wird«, antwortete sie ruhig. Ihr Gesicht verschwand sekundenlang hinter einer Rauchwolke. »Das ganze Haus steckt voller KGB-Spitzel, und im Keller befinden sich Folterzellen.«
    »Wenn Sie das wirklich glauben, hätten Sie schnellstens verschwinden sollen.«
    »Kann ich das Land verlassen?«
    »Das bezweifle ich.«
    »Welchen Unterschied macht es dann, ob ich mich in dieser Wohnung oder anderswo aufhalte?«
    Sie stützte ihr Kinn in eine Hand und studierte Arkadi mit ihren dunklen Augen,

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