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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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kommen? Er müsste die Tagebücher noch haben.«
    »Ich? Bist du wahnsinnig?«
    »Ach, komm«, erwiderte Fredrik, »ein bisschen Aufmunterung würde ihm guttun.«
    »Ich kann verstehen, wenn du da nicht alleine hinwillst, aber …«
    Sara sah plötzlich ganz verändert aus.
    »Kannst du mal stehen bleiben?«
    »Was?«
    »Würdest du bitte anhalten!«
    »Anhalten? Wie bitte? Hier?« Fredrik zeigte auf die verwaisten Sommerhäuschen.
    »Halt einfach an, ganz egal, wo.« Ihr schriller Tonfall ließ Fredrik auf die Bremse treten.
    Sara hatte sich bereits abgeschnallt und warf sich gegen die Tür, sobald der Wagen stand. Sie machte einige schwankende Schritte, beugte sich vornüber und kotzte in den Straßengraben. Nach einer einzigen qualvollen Kaskade war es vorüber.
    Sie ging in die Hocke, stützte sich mit der einen Hand auf den Boden und atmete tief durch.
    Das Ganze war so schnell gegangen, dass Fredrik erst jetzt auf die Idee kam auszusteigen. Er ging ums Auto herum und eilte zu ihr. Als er näher kam, winkte sie ab.
    »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Sara schüttelte vorsichtig den Kopf und wischte sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Fredrik stand ratlos da, reichte ihr aber wenigstens ein Taschentuch, mit dem sie sich den Mund abwischen konnte. Nach einer Weile reichte er ihr die Hand. Sie ergriff sie und richtete sich langsam auf.
    »Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte er im Auto.
    Wieder schüttelte sie den Kopf.
    »Mir geht’s gut. Lass uns zu Lennart fahren.«
    »Sicher?«
    »Ja, aber es wäre nett, wenn du irgendwo anhalten würdest, wo ich mir eine Flasche Wasser kaufen kann.«
    »Klar.« Fredrik startete den Motor.
    Als sie wieder auf der Straße waren, betrachtete er sie noch einmal besorgt von der Seite.
    »Das muss das Mittagessen gewesen sein. In dieser Pinte esse ich nie wieder!«, sagte Sara.
    »Du solltest dich beschweren.«
    »Ja, unbedingt«, murmelte Sara und sah aus dem Fenster.

54
     
    Von einem der roten Sessel im hinteren Salon aus beobachtete Elin, wie sich Visby und Gotland allmählich entfernten. Dumpf brummte die Begrüßung des Kapitäns, »Willkommen an Bord«, aus den gut versteckten Lautsprechern an der Decke. Die Stimme schwankte auf merkwürdige Weise zwischen Begeisterung und Lässigkeit, als er verkündete, dass der bislang mäßige Wind während der Überfahrt voraussichtlich zunehmen werde und es deshalb durchaus ein bisschen schaukeln könne. Falls der Wind nicht sogar noch drehe!
    Ihretwegen sollte es ruhig stürmen. Elin wurde nicht gleich seekrank. Keiner von ihnen war je seekrank geworden, weder sie noch Ricky oder Stefania. Mama dagegen war empfindlicher gewesen. Besonders wenn der Wind von Anfang an kräftig blies und sie keine Zeit hatte, sich daran zu gewöhnen.
    Der Abstand zur Insel wurde immer größer.
    Sie brauchte ein Meer zwischen sich und ihm.
    Dieser Gedanke war ihr jedes Mal durch den Kopf gegangen, wenn sie Gotland am Horizont hatte verschwinden sehen und die Welt für einen Moment aus nichts als Wasser bestand. Sie brauchte ein Meer. Zwei Kontinente allein reichten nicht, es gehörte unbedingt auch dieses Meer dazu, jedenfalls bisher.
    Er war aus Tokio zurückgekommen. Zehn Jahre, nachdem er zum ersten Mal weggefahren war, kam er wieder und wurde in seinem eigenen Haus ermordet. Zehn Jahre nach Stefanias Tod.
    Was bedeutete es für sie, dass es ihn nicht mehr gab, dass er tot und aus ihrem Leben verschwunden war? Es war zu kompliziert, als dass sie darüber hätte nachdenken können. Dass Mama auch nicht mehr da war, machte das Ganze noch schwieriger.
    Wenn nur er gestorben wäre, er allein, hätte alles anders werden können. Sie hätten Raum zum Atmen gehabt. Eine Weile hätten sie tief und ruhig Luft holen können. Mama wäre endlich frei gewesen, hätte sagen und tun dürfen, was sie wollte. Aber so durfte man nicht denken, es war nicht erlaubt, seinem Vater den Tod zu wünschen. Auf der anderen Seite, wieso eigentlich nicht, natürlich durfte man, es war doch das Normalste auf der Welt und nichts, wofür man sich schämen musste.
    Sie hatte keinen Komplex, es war ganz natürlich.
    Sie tastete nach dem Hebel, mit dem man den Sessel nach hinten kippen konnte, fand ihn und stemmte sich gegen die Rückenlehne. Das Glas mit dem eiskalten und säuerlichen Rotwein auf dem Klapptisch kam ins Wanken. Der hintere Salon war nicht voll. Ein paar Reihen weiter links versuchte eine Frau, ein kleines Kind zum Schlafen zu bringen. Das Baby

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