Gotland: Kriminalroman (German Edition)
ganz sicher, dass Sie ihn nach Montagabend nicht mehr gesehen haben?«
»Ja.«
Emrik drückte mit dem Holzlöffel auf die Kaninchenkeulen.
»Die eine ist langsam durch. Man braucht sie gar nicht zu würzen, weil sie die ganze Zeit Thymian und Wacholderbeeren knabbern. Nur ein bisschen Salz.« Er warf Sara über die Schulter einen Blick zu.
»Haben Sie noch andere Erinnerungen aus dieser Woche? Haben Sie Kristina Traneus oder jemand anderen aus der Familie gesehen?«
»Kristina habe ich einmal mitten in der Woche gesehen, aber ich weiß nicht mehr, an welchem Tag. Zuvor hatte ich das Auto mehrere Male gesehen, konnte aber nicht erkennen, wer darin saß.«
»Sie wissen nicht mehr, an welchem Tag das war?«
»Es muss am Dienstag gewesen sein.«
»Tagsüber?«
»Ja. Am frühen Nachmittag.«
»Im Prinzip könnte also am Dienstag auch Arvid Traneus im Wagen gesessen haben?«, fragte Sara, während Emrik Jansson die fertig gebratenen Kaninchenschenkel auf einen braunen Teller mit senfgelbem Rand legte.
»Im Prinzip könnte jeder im Wagen gesessen haben.«
Pass bloß auf, du Klugscheißer, dachte Sara.
»Aber bekanntlich führen alle Wege nach Rom«, fuhr er fort.
»Ich kenne die Redensart, aber ich weiß nicht genau, was sie in diesem Fall zu bedeuten hat.« Um ein Haar hätte Sara sich auf die Arbeitsfläche gestützt, konnte sich aber im letzten Moment abfangen.
»Mehrere Wege führen zum Gutshof, aber nur einer durch meine Jagdgefilde.« Emrik Jansson grinste.
»Okay, ich hab’s kapiert«, sagte Sara, »aber halten wir uns lieber an das, was Sie gesehen haben. Sonst haben Sie keine Erinnerungen an diese Tage, also den zweiten, dritten und vierten Oktober?«
»Nein«, sagte er entschieden.
Er wendete Sara den Rücken zu, packte mit beiden Händen die Bratpfanne und schleppte sie zum Spülbecken. Dort hielt er inne, starrte die Pfanne an und strich sich über den Bart.
»Ich glaube, ich habe Rickard, den Sohn, vorbeifahren sehen.«
Diesmal trafen sich Fredriks und Saras Blicke. Emrik ließ die Pfanne scheppernd ins Spülbecken fallen.
»Sie glauben, dass Sie ihn gesehen haben?«
»Ich habe ihn wirklich gesehen, aber wann …«
Er verstummte und wendete sich Sara zu.
»Das haben Sie bisher nicht erwähnt.«
»Rickard fährt oft hier vorbei. Darüber denke ich gar nicht mehr nach.«
Ein irritierendes Gefühl begann sich in Sara breitzumachen.
»War das nach dem zweiten Oktober?«
Als Emrik ein paarmal nachdenklich mit der Zunge schnalzte, wippte die vergilbte Bartpartie unter dem Mund auf und ab.
»Ich habe ihn hier schon so oft vorbeirasen sehen. Ich weiß nicht …«
»Kennen Sie Rickard?«
»Kennen? Nein, er war nie in meiner Klasse. Ich wurde pensioniert, bevor er in die Oberstufe kam, aber das eine oder andere bekommt man trotzdem mit. Es wundert mich, dass er es mit Wirtschaft versucht hat. Das war überhaupt nicht seine Stärke.«
»Was war denn Ihrer Ansicht nach seine Stärke?«
»Soweit ich weiß, war er gut in der Schule, aber seine Neigungen gingen eher in die geisteswissenschaftliche Richtung.«
Emrik Jansson leckte sich über die Unterlippe.
»Falls man glauben darf, was man so hört«, fügte er mit beschämtem Lächeln hinzu.
Er machte einige Schritte auf Sara und Fredrik zu und zeigte auf den Tisch.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich setze?«
»Natürlich nicht«, sagte Sara peinlich berührt, weil sie nicht eher daran gedacht hatte.
Er hatte sich so sicher und behände am Herd bewegt, dass sie seine zittrigen Beine fast vergessen hatte. Fredrik rückte ihm einen Stuhl zurecht, und Emrik ließ sich mit einem tiefen Seufzer nieder.
»Ich kenne das. Kinder in den Fußstapfen ihrer Eltern. Das geht nicht immer gut. Mit Begabung hat das nichts zu tun, jedenfalls nicht in erster Linie. Das ist was anderes.«
Emrik fingerte an dem Tabakpäckchen auf dem Küchentisch herum, machte es aber nicht auf.
»Manchmal geht das nicht gut aus«, wiederholte er.
Sara nickte und unternahm einen letzten Versuch:
»Aber Sie haben Rickard Traneus um den zweiten Oktober herum zum Gutshof fahren sehen?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen, weil man ihn ständig gesehen hat. Er hat doch dauernd gemacht und getan. Aber wann genau …«
»Sie wissen ganz genau, dass Sie Arvid Traneus am Montag im Auto gesehen haben«, sagte Fredrik.
Emrik sah zu Fredrik auf. Es war merkwürdig, dass sie standen, während Emrik saß, aber Sara hatte nicht vor, sich zu opfern.
»Das war ja
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