Gotland: Kriminalroman (German Edition)
er in weniger als einer Woche brach, dachte er, während er sich einen grauen Einkaufskorb vom Stapel am Eingang schnappte. Aber in Anbetracht der Umstände durfte das hier als Ausnahme gelten, außerdem konnte er das Trinken ja auch gelassen angehen.
Er bog noch vor dem Spirituosenregal zum Bier ab und packte schnell vier Dosen Norrlands in den Korb. Vier Dosen waren gar nichts, und genau deswegen sollte er auch nicht mehr kaufen, dachte er, doch dann fiel ihm ein, dass er nicht umhinkommen würde, Beppo einzuladen, und legte noch einmal vier dazu.
Zwei Typen in seinem Alter kamen herein und blieben auf der anderen Seite des Regals stehen. Der eine trug ein blaues T-Shirt, der andere ein ausgeblichenes kariertes Flanellhemd und einen Dreitagebart. Er kannte die beiden nicht, blickte aber sicherheitshalber trotzdem zu Boden.
»Es klingt vielleicht grausam, aber wenn überhaupt, dann muss so etwas genau diesen Leuten passieren«, hörte er den einen sagen.
Er war mit seinen Bierdosen auf dem Weg zur Kasse, als ein Mann um die fünfzig durch die Schranke kam, laut Hallo rief und direkt auf die beiden jüngeren Typen zusteuerte.
»Habt ihr von Traneus gehört?«, fragte er gedämpft.
Die beiden nickten.
»Es war anscheinend eine richtige Sauerei. Viktor kennt die Putzfrau, und die meint, es war nicht witzig. Das Mädchen war völlig fertig. Amanda Wahlby, ich weiß nicht, ob ihr …«
Die anderen schüttelten den Kopf.
»Es war nicht viel von ihnen übrig«, nun flüsterte er, »nur noch Brei. Sie konnte nicht einmal erkennen, wer da lag.«
Die beiden Jüngeren verzogen das Gesicht, doch in ihrem Entsetzen lag ebenso viel Neugier.
»Stigge hat gerade gesagt, typisch, dass ausgerechnet denen so etwas passiert.«
»Ja«, sagte der Ältere, »es ist fast gespenstisch. Manche haben wohl das Schicksal gegen sich. Ich meine, wie viel Scheiße kann einem eigentlich passieren? Außerdem, weiß der Teufel, ob es Arvid nicht selbst war.«
»Der war schon immer ein Angeber«, sagte der, der offenbar Stigge genannt wurde.
»Und einen kleinen Dachschaden hat er«, fügte der andere hinzu.
»Aber eines steht fest«, sagte der Ältere, »es ist nicht schlecht für ihn gelaufen. Ich habe keine Ahnung, aber die Leute sagen, er wäre in Japan reich geworden.«
»Er war doch schon vorher reich«, wandte Stigge ein.
»Vielleicht ist es zu gut gelaufen«, sagte sein Freund. Dann verstummten sie plötzlich.
Drei Augenpaare richteten sich fragend auf ihn. Er merkte erst jetzt, dass er vergessen hatte, auf den Boden zu sehen. Er hatte eine ganze Weile vor sich hingestarrt und das Gespräch auf der anderen Seite des Bierregals belauscht. Er senkte den Blick und wendete den drei Männern den Rücken zu. Auf dem Weg zur Kasse musste er sich bemühen, in normalem Tempo zu gehen. Er spürte die Blicke im Nacken.
Mit den drei Schwachköpfen wäre er locker fertig geworden, aber er durfte jetzt nicht auffallen. Am liebsten würde er die Scheißinsel so schnell wie möglich verlassen. Mit der nächsten Fähre. Aber das würde keinen guten Eindruck machen. Dann hätte er noch schlechtere Karten. Im Moment konnte er nichts anderes tun, als es sich in Hemse mit ein paar Bierchen gemütlich zu machen.
Er stellte die Dosen auf das Kassenband und zwang sich zu einem Lächeln. Ganz kurz streifte ihn der Blick der Kassiererin. Er gefiel ihm nicht. Sie sah ihn nicht wie einen beliebigen Kunden an, nicht einmal wie einen Sonderling, sondern als käme er ihr irgendwie bekannt vor.
22
»Er hat jedenfalls keine Spuren hinterlassen, falls er das Land oder zumindest die Insel verlassen hat. Wir haben die Flughäfen, die Fährgesellschaft, die Staatsbahn und seine Kreditkarte überprüft. Nichts.«
Der große, fast vollständig ergraute Lennart Svensson hatte dunkle Schatten unter den Augen, aber er sah zufrieden aus. Lennart war berühmt dafür, Besprechungen mit schlechten Witzen und unpassenden Kommentaren zu verpesten, wenn er in der Stimmung dazu war, aber obwohl er der Älteste von ihnen war, konnte er immer noch am längsten arbeiten, ohne zu jammern oder zu prahlen.
Lennart Svensson arbeitete einfach gern. Fredrik war überzeugt, dass er an dem Tag, an dem er die Dienststelle mit der goldenen Uhr oder dem heute üblichen Abschiedsgeschenk verließ, tot umfallen würde.
»Arvid Traneus ist ja nicht dumm.« Göran Eide sah ausgeschlafener, aber auch besorgter aus. Er war überhaupt in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Lennart
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