Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
einen Bohemien«, seufzt Gott.
Während Gott an dem Knoten herumfuhrwerkt, blickt Jesus zu den blinkenden Ziffern hinauf. Einer nach dem anderen rauschen die Kreise der Hölle vorbei: -2, -3. -4. Dante war der Wahrheit näher gekommen, als die meisten vermuten. Was die Habgierigen betrifft, hatte er den Nagel sogar auf den Kopf getroffen. Hier, im vierten Kreis, drängeln sich unter höllischen Qualen jene, die ihr Leben lang bloß dem Geld nachgejagt waren, an die Scheiben des Aufzugs, während dieser sanft und lautlos durch die Flammen gleitet: Investmentbanker, Risikospekulanten und Devisenhändler, Bankiers, Hedgefonds-Manager, Immobilienmakler, Geldverleiher, Kredithaie und die Inhaber gewisser 24-Stunden-Läden.
Als sie den fünften und sechsten Kreis passieren, steigt die Temperatur, und die Fahrstuhlmusik wird ein wenig lauter: Vergewaltiger, Mörder, gewalttätige Ehemänner und Pädophile, belagert und gegeißelt von flammenden Dämonen, die ihre Zähne in rauchendes Fleisch schlagen. Im Gegensatz zur Vorstellung Dantes, und der vieler organisierter Religionen, gab es im siebten Kreis keine Selbstmörder. Gott hatte Verständnis für jene, denen es einfach zu viel wurde. Er konnte das nachvollziehen. Mann, Er hätte sich selbst fast umgebracht, nachdem dieser Asteroid die Dinosaurier erledigt hatte. Mehrere Milliarden Jahre Arbeit im Arsch. Zurück ans beschissene Reißbrett. Es gab dort auch keine Gotteslästerer und Häretiker. Wie wir wissen, ist es Gott scheißegal, ob die Menschen an Ihn glauben oder nicht. Auch keine Sodomiten — Sie erinnern sich: Gott liebt Schwuchteln.
Jesus lehnt die Stirn gegen die warme Glasscheibe und blickt hinab in die unendliche Tiefe der Flammengrube, auf die Myriaden brennender Seelen.
»Dad?«
»Mmmm?«
»Tut mir leid, dass alles so am Arsch ist.«
Gott betrachtet Seinen Sohn: ein dreiunddreißigjähriger Teenager, in Anzug und Krawatte gezwängt. Dreiunddreißig.
Früher hätte man verdammt gut daran getan, in dem Alter erwachsen zu sein. Heute nicht mehr , denkt Gott. Die Kids werden einfach nicht mehr erwachsen. Nie mehr. Der Junge hat noch so viel zu lernen, über Verantwortungsbewusstsein, über harte Arbeit, darüber, sich ins Zeug zu legen. Trotzdem ist er im Grunde ein anständiger Kerl. Das ist es, was ihm da unten den Arsch gerettet hat . Er seufzt und tätschelt Jesus aufmunternd die Schulter. »Du bist ein guter Junge«, sagt Er.
Das Hintergrundgedudel verändert sich. Als der Aufzug in den neunten Kreis hinabgleitet, versuchen sich die Panflöten an »Down Under« von Men At Work: Hell lodert ein gewaltiger Scheiterhaufen, errichtet aus den Seelen von Millionen von korrupten Politikern und Vorstandsvorsitzenden. Die Dämonen hier unten leisten Überstunden. Während sie faustweise brennende Geldscheine in Körperöffnungen stopfen, Penisse absäbeln, Augen herausreißen, Nippeldreher und Brennnesseln verteilen, meint man, trotz der dicken Glasscheiben, die Schreie zu hören. Kurz erblicken sie Kenny Lay, den ehemaligen Generaldirektor von Enron. Begraben unter mehreren Dämonen, die eben dabei sind, seine Extremitäten mit Gartenscheren zu bearbeiten und Überbrückungskabel daranzuklemmen, ist er kaum zu sehen. Einer hockt sich über Lays rotes, verschwitztes, schreiendes Gesicht, eben im Begriff, seinen Darm zu entleeren.
Plötzlich, als der neunte Kreis über ihnen in der Dunkelheit verschwindet, wird es stiller. Gott schließt Seine Manschetten und korrigiert den Sitz Seiner Krawatte. »Also gut, denk dran: Benimm dich!«
Ein helles PLING ertönt, als die Ziffer 10 aufleuchtet.
Auch hier hatte Dante falschgelegen.
Die Aufzugtüren öffnen sich: Unter einer leuchtenden Neonreklame mit der Aufschrift BIG ROCK MOVIE DINER hindurch schlendern Gott und Jesus in die Lobby des zehnten Höllenkreises. Vitrinen mit Musikinstrumenten und Filmrequisiten
dekorieren die Wände: Da gibt es Gold-und Platin-Schallplatten von Genesis, Debbie Gibson und den Jonas Brothers, einen Golfschläger aus dem Film Onkel Buck , eine Uniform aus Police Academy 7 — Mission in Moskau. Über dem Empfangstresen wird stolz MC Hammers Hose ausgestellt.
»Hallo zusammen«, begrüßt sie die junge Dame in dem schicken schwarzen Catsuit, die hinter dem Tresen steht. Sie ist wunderschön, groß, mit Beinen bis in den Himmel. »Darf ich Ihnen Ihren Tisch zeigen?«
Gott und Jesus folgen ihr durch das gut besuchte Restaurant, in dem lautstark eine Panflötenversion von Huey
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