Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
wollt mich sodomisieren?«
»Sodo... was bitte?«, fragt der Kahlkopf, der sich nun ebenfalls runterbeugt.
»Das heißt so viel wie Sex mit mir haben« , klärt Jesus ihn auf.
»Jetzt hör mal schön zu, du beschissener Schlauberger«, herrscht MEIN TRAUM ihn an, »wenn du auch nur einen Ton von dir gibst, dann kriegst du damit eins in die Nieren.« Er hebt sein Unterhemd, um zu zeigen, dass in seinem Hosenbund eine selbstgebastelte Klinge steckt, die aussieht wie eine mit einer Rasierklinge verschmolzene Zahnbürste. Darüber prangt ein weiteres Tattoo: ein Einschussloch. Es erinnert Jesus an eine Statistik, die er mal gelesen hat und laut der heutzutage jeder einzelne in den USA hingerichtete Mann irgendein Tattoo besitzt. Hinrichtungen. Mann, diese Scheiße machten sie hier unten immer noch.
»Vor all diesen Leuten?«, fragt Jesus. »Hör mal, ich weiß, dir müssen in deiner Kindheit vermutlich eine Menge schrecklicher Dinge zugestoßen sein, wenn du es für eine gute Idee hältst, etwas Derartiges zu tun. Im Ernst, glaubst du wirklich, das könnte irgendwie Spaß machen? Denk mal drüber nach. Denn ich würde darauf wetten, dass du dich hundeelend fühlst, sobald du gekommen bist. Alles, was du dann empfinden wirst, ist Schuld und Scham und so was. Ich hatte mal was mit einem Mädchen, in, äh, unten in Florida. Und ...«
Urplötzlich blitzt die Klinge direkt vor seinem Gesicht auf, bedrohlich nähert sie sich seinem rechten Auge. »Halt deine vorlaute Schnauze und lass endlich die Hose runter«, zischt Mr. Tattoos durch seine bräunlichen Zahnruinen. Jesus seufzt. Oh ja, dieses Mädchen in Florida, nach der Show. Mann, war die heiß gewesen. Er hatte mit ein paar Mädels was gehabt, aber nichts Ernsthaftes. Warum auch nicht? Nun, ein Teil von ihm spürte, dass die Dinge sich hier unten,
in Anbetracht dessen, was er zu tun versuchte - nämlich diese ganze SEID LIES-Sache wieder unter die Leute zu bringen – , womöglich nicht gerade zum Besten entwickelten. Wie beispielsweise gerade jetzt: Mr. Glatzkopf bildet eine Art schützende Barriere und schirmt sie vom Rest der Käfigbelegschaft ab, während Mr. Tattoos hastig an seinem Hosenstall herumnestelt. Alle anderen schauen weg. Niemand - wie könnte es auch anders sein - wagt es, etwas zu sagen. Wäre Jesus einer von ihnen, er würde den Mund aufmachen und dafür zweifelsohne auf der Krankenstation landen. Er spürt, wie sich hinter ihm etwas tut, wie sich jemand bereitmacht. Kommt schon, bringt es hinter euch. Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun, und so weiter und so fort.
Woran hatte er vor einer Minute noch gleich gedacht? Oh ja, Bob.
Bob, 1973 noch Corporal Bob, war gerade einundzwanzig Jahre jung gewesen, das Dorf dagegen Tausende von Jahren alt. Es lag in der Nähe der kambodschanischen Grenze, übersät von Kratern des Artilleriebombardements, die umliegenden Baumwipfel standen nach dem Napalmbeschuss in Flammen, über dem Dschungel hing noch das Röhren der F-4-Kampfjets. Bob und sein Trupp landeten, und mit dem Gestank von verbranntem Benzin in den Lungen schwärmten sie in sämtliche Richtungen aus. Bob erhielt den Befehl, einen Tunnel zu sprengen, die Luft war voller Vinylchlorid. Er schleuderte drei dieser teuflischen Splittergranaten durch die Falltür, spürte, wie der Boden unter ihm Wellen warf, und schwang sich dann hinunter, verbrannte sich die Finger am Lauf, als er ein weiteres Magazin einlegte, zog den Sicherungsbolzen und war bereit für eine Runde Rock ’n’ Roll. Der Rauch verzog sich, und er stand dem Feind Auge in Auge gegenüber.
Zwei Kindern.
Eines von ihnen lag rücklings da, schreiend, ohne Beine. Das andere hüpfte herum, ohne zu schreien, mit starrem
Blick. Mit einem Bein und einem Arm versuchte es sich an der Wand aufrecht zu halten und den abgerissenen Arm mit dem heilen aufzuheben. Der Boden des Tunnels war ein einziges Schlachtfeld. Eine Frau – ihre Mom, wie Bob annahm - versuchte zu ihnen zu kriechen. Und obwohl sie sich den Bauch hielt, zog sie einen langen Schwanz an Innereien hinter sich her.
Kopf und Schultern eines Babys lagen einfach nur da, der Rest seines Körpers atomisiert, weg, in Luft aufgelöst.
Die Kleine ohne Beine zuckte und hämmerte mit den Fäusten auf den Boden - er sah jetzt, dass es ein Mädchen war –, verfiel schließlich in Schockstarre. Der Junge, der immer noch auf einem Bein herumhüpfte, versuchte nach dem Stumpf zu greifen, mit der Hand den herausragenden Knochen zu
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