Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
auf der Akustikgitarre. Gus und Dotty lauschen so andächtig wie betrunken, Al und Frank nicken im Takt, und Meg sitzt etwas abseits von ihnen, ein wenig überempfindlich - sie hat in diesen ersten Tagen ihres Entzugs noch sehr zu kämpfen. Es sind auch andere Gäste da, die nicht mit jedem hier bekannt sind.
Obwohl Jesus ihm erklärt hat, dass sie deutlich mehr als nur die Gitarre hätten versetzen müssen, wenn die Bullen Bob erwischt und einen Blick auf seine Akte geworfen hätten,
sitzt dieser schweigend auf der Dachkante, zweifellos immer noch von Schuldgefühlen geplagt, weil er davongekommen ist, während Jesus die Prügel kassiert hat.
Sie hatten gespeist wie die Könige. Harvey war ihnen bei der Gitarre entgegengekommen - JC schlägt man nicht so schnell etwas ab —, so dass Jesus und Morgan alles Nötige für die Party einkaufen konnten: Hamburgerfleisch, Hamburgerbrötchen, einen Geburtstagskuchen, haufenweise Süßigkeiten für die Kinder, ein paar Kästen Bier, ein bisschen Tequila. Alles, was das Herz begehrt.
Quer übers Dach sind ein paar billige chinesische Lichterketten gespannt, die Pozlowski, der Hausmeister, vor ein paar Jahren für eine Halloween-Party angeschafft hatte und die immer noch funktionieren. Bunte Lampions tauchen die Anwesenden in gelbes, grünes und orangefarbenes Licht, während diese herumsitzen und rauchen, trinken, lachen und miteinander quatschen.
Jesus lässt die Szenerie auf sich wirken, nimmt einen tiefen Zug von einem Joint — es hat einige Zeit gedauert, bis er sich an den Stoff hier unten gewöhnt hat - und lächelt. Richtig, diese ganze Wunder-Sache und vor allem das, was diese Scheiß-Christen daraus gemacht hatten, war Schwachsinn. Aber in Momenten wie diesen, da verstand er, dass es manchmal nichts weniger als ein beschissenes Wunder war, wenn Menschen wie seine Freunde in einer Stadt wie dieser einen weiteren Tag unbeschadet überstanden hatten. Und nicht bloß überstanden: Immerhin saßen sie hier mit vollen Bäuchen und kalten Drinks, singend, schwatzend und lachend. Er dreht sich um, hält sich mit einer Hand am Vorsprung der Dachkante fest und blickt hinüber zum Broadway. Hoch oben auf einem Baugerüst stehen Männer in Overalls, die selbst um diese Zeit noch arbeiten, und nehmen ein riesiges Unterwäscheplakat von einer Reklametafel ab, um diese über Nacht mit irgendeiner anderen Werbung zu bestücken. Gott bewahre , denkt sich Jesus, dass die Leute
auch nur einen einzigen Tag lang mal kein bekacktes Konsumprodukt in den Hals gestopft bekommen.
»Willst du einen?«
Jesus blickt auf: Über ihm steht breit grinsend der dicke Kris und hält ihm einige in Servietten eingewickelte Hamburger entgegen. Jesus lächelt und schüttelt den Kopf. »Nein danke, ich bin satt.«
»Na komm schon. Diese Zwiebeln, die zergehen dir regelrecht auf der Zunge, Alter.«
»Wirklich, Mann. Iss du nur.«
Kris zuckt glücklich mit den Achseln, setzt sich neben ihn und kaut drauflos. Er hat ordentlich was auf den Rippen, bringt gut hundert Kilo auf die Waage, und sein knittriges, altes Mudhoney-T-Shirt ist vom Grillen in der Hitze der Hochsommernacht voller Schweißflecken. Kris und Morgan, seine Rhythmusgruppe, sind ein ungleiches Paar: der fette, weiße, ewig gut gelaunte Bassist und der hagere, spöttische Drummer. Morgs ist der Offensivere der beiden; mit seiner zynischen Haltung so ziemlich allem und jedem gegenüber bildet er ein geradezu ideales Gegengewicht zu Kris’ sonnigem Enthusiasmus. Kris setzt hinter fast jeden Satz ein Ausrufezeichen. Er ist vertrauensvoll, praktisch veranlagt und draufgängerisch. Morgan dagegen ist eher sarkastisch und skeptisch.
JC beherzigt beider Ratschläge gleichermaßen. Etwas, das sein Dad ihn gelehrt hatte, indem er den quengelnden Matthäus nicht weniger ernst nahm als den kecken Lance oder den militanten Andreas.
Drüben auf der anderen Seite des Daches stimmen Al und Morgs »Visions of Johanna« an. Kris wirft JC einen verstohlenen Blick zu und freut sich zu sehen, wie sehr dieser die Feier genießt.
»Hey JC«, ruft Becky, »schwing deinen knackigen Arsch hier rüber und spiel was für uns.« Die anderen stimmen in ihr Bitten ein, und Al streckt ihm die Gitarre entgegen.
»Nö, ich bin müde. Ihr macht das doch super.«
»Och, komm schon.«
»Später vielleicht.«
Mit lautem Buhen wird die Gitarre an jemand anderen weitergereicht. JC lächelt Becky an, die ihm daraufhin den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Mann, sieht
Weitere Kostenlose Bücher