Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
erneut, sein Vater drückt sich voller Panik gegen die Wand, wohl wissend, wie locker der Abzug der alten Pistole sitzt. »Sie ... sie wollte nicht mehr essen. Sie hat einfach aufgehört zu essen. Oben in ihrem Zimmer hat sie geweint. Getrunken. Ich hab’s versucht, ich ... am Ende war nichts mehr von ihr übrig. H-haut und K-knochen.« Die Tränen sprudeln. »Meine arme Mama. Was soll ich denn jetzt tun?«
In dem Zimmer herrscht nun völlige Stille, abgesehen von Claudes Schluchzen.
»Claude?«, sagt Jesus sanft. »Sieh mich an, Claude.«
Claude dreht sich um, und durch den Tränenschleier hindurch blickt er Jesus in die Augen, die zitternde Waffe weiter auf seinen Vater gerichtet.
»Hat deine Mama dir etwas vorgelesen, als du klein warst?«
»Gelesen?«
»Ja. Geschichten und so.«
»M-manchmal.«
»Erinnerst du dich, wie du auf ihrem Schoß gesessen hast? Wie ihr Kinn auf deinem Kopf ruhte? Sie liebte den Geruch deines Haars. Erinnerst du dich? Es war vielleicht Zeit, ins Bett zu gehen, oder du hattest gerade gebadet. Für sie warst du perfekt, weißt du das?« JCs Stimme wird langsamer und hypnotischer, als er näher kommt. Claude verliert sich im pazifischen Blau seiner Augen. »Glaubst du, sie hätte mitansehen
wollen, wie du dir eine Kugel in deinen wunderschönen Kopf jagst? Dir dein Gehirn wegbläst? Sie will einzig und allein, dass du glücklich bist.«
»Sie ist weg.«
»Nur für eine Weile. Du wirst sie noch früh genug wiedersehen. Aber jetzt noch nicht, Mann. Nicht so.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Oh Mann. Was das betrifft, musst du mir einfach vertrauen. «
»Aber ich ... ich bin zu nichts zu gebrauchen.«
»Du bist ein Farmer, Claude. Das ist so ziemlich das Beste, was man sein kann.«
»Die Farm ist weg.« Jetzt weint er hemmungslos.
»Nun, auch darum werden wir uns während der Fahrt irgendwann kümmern.«
Claude blickt in die Augen dieses Mannes, den er erst seit ein paar Tagen kennt, der so ruhig, so sicher wirkt. »Ver... versprichst du mir das?« Claude klingt wie ein Fünfjähriger, als er das sagt.
»Komm her, Kleiner.«
Der Junge bricht weinend in Jesus’ Armen zusammen, vergräbt sein Gesicht in dessen Brust, während er die Pistole fallen lässt. Claudes Vater erkennt seine Chance und hechtet vorwärts. Noch bevor er überhaupt auf den Füßen ist, hat sich JC die Waffe geangelt und sie erneut auf ihn gerichtet.
»Tut mir leid, Sir. Aber wenn Sie sich bitte wieder setzen würden.« Während er zu dem Mann spricht, hält er weiterhin Claude im Arm, dessen heiße Tränen seine Schulter nässen. »Ich verstehe, dass dies ein traumatischer Abend für Sie sein muss, aber er ist jetzt so gut wie vorbei. Also: Dummerweise ist uns das Geld fürs Benzin ausgegangen, deshalb werde ich Sie nun bitten müssen, mir den Inhalt der Brieftasche zu leihen, die ich dort auf dem Fernseher liegen sehe. Ich habe mir Ihre Adresse gemerkt und werde Ihnen Ihre Auslagen mit Freude zurückerstatten, sobald wir wieder auf
eigenen Füßen stehen. Es sei denn, Sie kommen angesichts der jüngsten Ereignisse zu der Überzeugung, dass Sie Ihrem Sohn die verdiente Unterstützung ohnehin viel zu lange schuldig geblieben sind. In diesem Fall würden wir das Geld einfach als Claudes Eigentum betrachten, und ich würde mich persönlich darum kümmern, dass er es zurückbekommt. Was meinen Sie?«
»Nimm es«, sagt Claude senior, vor lauter Blut und Scham kaum zu verstehen.
»Verbindlichsten Dank, Sir.«
Nachdem sie auch noch die Pistole versetzt haben, reicht das Geld, um den großen Tank des Busses zu füllen. Claude weint sich auf dem Rücksitz zwischen Jesus und Becky noch eine halbe Ewigkeit die Augen aus, während sie über Nacht Arizona durchqueren, mit nur einer einzigen Rast irgendwo hinter Phoenix. Kris prügelt den Motor bis auf die Zielgerade, und dann, mit einem Mal, führt sie die Interstate 10 nach Santa Monica hinein. Wie aus dem Nichts taucht der Ozean vor ihnen auf, offenbart sich in seiner ganzen Schönheit im Morgenlicht, wie er es bei Millionen von müden Pilgern vor ihnen getan hat.
VIERTER TEIL
LOS ANGELES
»Roll down the window, put down the top,
Crank up the Beach Boys, baby,
Don’t let the music stop ...«
RANDY NEWMAN
1
D AS IST SUPER, DANKE. OH, EINS NOCH ...« JESUS DREHT sich um und klappert beiläufig mit seinem Zimmerschlüssel auf dem Marmortresen herum. »Könnten Sie mir sagen, wo wir vielleicht ein paar aufblasbare Matratzen
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