Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
und erwidert JCs breites Grinsen. »Und schlimmstenfalls? Wenn ich beim ersten Auftritt aus der Show fliege? Dann haben unsere Leute hier wenigstens mal richtig Urlaub gemacht.«
In diesem Augenblick öffnet Bob die Tür zu ihrem Zimmer, und herein kommen vier Kellner, prall beladene Servierwagen
vor sich her schiebend, auf denen überbordende Silbertabletts in der Nachmittagssonne glitzern. Alle drängen sich darum, heben Deckel an, greifen nach Gläsern und Besteck. Selbst die Kellner hier sind Profis, denkt Jesus. Sie tun so, als würden sie das alles jeden Tag erleben: Ein halbes Dutzend ausgehungerter komischer Vögel, die wie die Geier über sie herfallen, ein stinkendes Alkoholikerpärchen ausgestreckt am Boden, süßlicher Rauch in der Luft. Bob deutet unsicher durch die Schiebetür auf Jesus und Morgan, woraufhin sich einer der Kellner aus dem Tumult befreit, sich auf den Weg quer durch die Suite hinaus auf die Terrasse macht und Jesus die Rechnung präsentiert.
»Danke, Mann«, sagt Jesus, unterschreibt und fügt dreißig Prozent Trinkgeld hinzu, »und entschuldige - du weißt schon - das alles hier ...« Mit seinem Joint deutet er auf die bunte Truppe.
»Ich bitte Sie, Sir ...«, sagt der Kellner. »Wir hatten Metallica eine Woche lang hier. Damals, als sie noch gefeiert haben ... ich kann Ihnen sagen ...«
»Wow«, sagt Morgan. »Wie waren die so?«
»Echte Gentlemen. Danke, Sir«, sagt er und deutet vor Jesus eine Verbeugung an, als er die Rechnung entgegennimmt. »Das hier wurde für Sie am Empfang abgegeben.« Er reicht JC einen Umschlag, auf dem das ABN-Logo prangt. »Und wenn ich so sagen darf: Viel Glück bei der Show!«
»Danke, Bruder«, sagt Jesus lächelnd.
Jesus schiebt seinen Daumen unter das Siegel und bricht es auf: In dem Umschlag befinden sich ein laminierter Pass und ein Brief, der bestätigt, dass Jesus am nächsten Morgen um neun Uhr von einer Limousine abgeholt wird, die ihn zum ABN-Gelände in Burbank bringt.
»Was hat der ganze Spaß gekostet?«, fragt Morgan.
»Hm?«
»Die Rechnung, du Kasper. Wie viel?«
»Oh. Ungefähr vierhundert.«
»Vierhundert Dollar für Frühstück?«
»Mit Trinkgeld, Morgan.«
»Na, denn«, sagt Morgan und drückt den Joint in einem schweren Kristallaschenbecher aus. »Letzte Woche haben wir noch Sandwiches geklaut, Mann. Wir werden hier so was von achtkantig rausfliegen!«
»Nein, werden wir nicht«, sagt Jesus, während er noch den Brief betrachtet. »Und wenn doch ... na und?«
»Sag mal, du machst dir überhaupt keine Sorgen, oder?«
Jesus überlegt. »Nö«, sagt er schließlich. »Eigentlich nicht.«
2
D ER ERSTE TAG AM SET. STEVEN STELFOX SCHREITET den Flur vor den Garderoben zum Studio 4 entlang, im Schutze einer Phalanx von Assistenten, Produzenten und Maskenbildnern, die sich wie eine Prätorianergarde um ihn scharen. Darcy DeAngelo und Herb Stutz bilden mit ihrem eigenen, kleineren Gefolge die Nachhut. Die regionalen Castings haben schon reichlich gutes Material abgeworfen. Die Aufnahmen wurden bereits so zusammengeschnitten, dass man Amerikas Freaks nun hämisch der Fremdscham preisgeben kann. Die Nerven liegen blank, wie üblich unter den Produktionsmitarbeitern, wenn Stelfox an Bord ist. Jedoch keineswegs so blank, wie es ab nächster Woche der Fall sein wird, wenn die Show live auf Sendung geht und »die Kandidaten ausgewählt sind« - dabei sind die Kandidaten natürlich längst ausgewählt. Stelfox hat immer die Story im Blick. Wer oder was trägt dazu bei, eine fesselnde Geschichte zu liefern? Eine, die sich bis Weihnachten durchziehen lässt, wenn es an der Zeit ist, die Bombe platzen zu lassen.
»Jep, unterwegs«, spricht eine junge Assistentin in ein Headset.
»Naomi, Liebes«, sagt Stelfox, als er ihr seine halbleere Flasche Evian reicht, »sag dem fetten Mongo an Kamera drei, wenn er mich nochmal von unten links im Profil nimmt,
kann er die nächsten zwanzig Jahre die Zwischentitel von mexikanischen Soaps abfilmen.«
»Er weiß Bescheid, SS.«
Die Studiotüren fliegen auf, Stelfox arrangiert seine Miene zu einem freundlichen, wohlwollenden Lächeln um. Denn jetzt ist der Moment gekommen, in dem der General auf seine Truppen trifft.
Die Sache läuft folgendermaßen: Die erste Sendung besteht in der Regel größtenteils aus Material der regionalen Castings; im Prinzip ein mehr oder weniger repräsentatives Abbild jenes Teils der amerikanischen Gesellschaft, der von Rechts wegen eigentlich in der Klapsmühle
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