Gott geweiht
an?«
»Gewöhnlich gibt es einen Stressfaktor in ihrem Leben, der als Auslöser fungiert, und BINGO – sie rasten aus.«
»Was denken Sie, was der Stressfaktor im Leben von diesem Kerl war?«, fragte Butts, während sie die Treppe aus der U-Bahn-Station hinaufstiegen.
Am Kopf der Treppe empfing sie ein bleigrauer Himmel. Eine niedrige Wolkendecke hatte sich wie eine Granitplatte über die Stadt gelegt. Februar war nicht der beste Monat in New York und die Bronx nicht gerade ein Nobelviertel. Als sie den Grand Concourse entlanggingen, trieb ein eisiger Wind sie von hinten an und ließ totes Laub und Papierfetzen um ihre Füße wirbeln. Selbst die Gebäude wirkten kalt – vier-, fünfstöckige Bauten aus tristem grauen Granit.
»Ich weiß nicht, was ihn zum Ausrasten gebracht hat, aber ich bin mir sicher, dass er schon eine ganze Weile kurz davor war«, antwortete er, als sie in die Seitenstraße bogen, in der Christine Riley mit ihrer Familie lebte.
Die Häuser in den Seitenstraßen waren kleiner als die am Grand Concourse, und Christines Familie wohnte im ersten Stock eines anheimelnd altmodischen, dreistöckigen Stadthauses. Erfrorene Büschel von Chrysanthemen ragten aus den Blumenbeeten entlang dem weißen Gartenzaun.
Sie klingelten und wurden per Summer ins Haus gelassen. Ihr Klopfen an der Wohnungstür der Rileys wurde mit Stakkato-Gebell beantwortet – ein schrilles Gekläff, das nach einem kleinen und ziemlich nervtötenden Hund klang. Eine Annahme, die sich bestätigte, als Christines Mutter die Tür öffnete und zu ihren Füßen ein übellauniger alter West-Highland-Terrier zum Vorschein kam. Der fette Köter mit den wässrigen Augen machte drohende kleine Sätze auf sie zu und kläffte ihnen ohrenbetäubend entgegen.
»Hör auf, Fritzi!«, befahl die Frau. Der Hund ignorierte sie und bellte weiter.
»Mrs. Riley?«, fragte Butts.
»Ja?« Mrs. Riley war eine attraktive Blondine mit sportlicher Figur – der Körper einer Schwimmerin, mit breiten Schultern und langen Armen.
Detective Butts zeigte ihr seine Dienstmarke.
»Oh, ja, Sie hatten sich angemeldet«, sagte sie. »Bitte kommen Sie herein.« Sie führte sie einen unordentlichen Flur voller religiöser Ikonen entlang in ein geräumiges Wohnzimmer, das mit dem gleichen religiösen Kitsch dekoriert war. Ein Ölgemälde mit protzigem Rahmen dominierte eine Wand – eine junge, schöne Maria blickte zu Christus am Kreuz auf, ihre tränenumflorten Augen erfüllt von frommer Liebe und Trauer. Fritzi folgte ihnen kläffend und hopsend. Mrs. Riley bot ihnen Platz auf einer geblümten, in Plastik gehüllten Couch an, die Lee an ein riesiges Kondom erinnerte.
»Bitte, setzen Sie sich doch«, sagte Mrs. Riley.
Er und Butts gehorchten. Das Plastik knisterte, als sie sich hinsetzten.
»Ich sage Christine Bescheid, dass Sie hier sind. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
»Nein danke, Madam – nicht nötig«, erwiderte Butts, die Hände auf den Knien. Er schaute unbehaglich drein, wie er da mit seinem stämmigen Leib auf der Sofakante hockte, so als hätte er Angst, sich zurückzulehnen und in einem Meer aus Plastik zu versinken.
Mrs. Riley verließ das Zimmer, doch Fritzi blieb zurück, um seine Beute zu bewachen. Das Gebell des Hundes war zu einem schluckaufartigen Grollen tief in seiner Kehle verebbt, ein gereiztes Knurren als Mahnung, dass Fritzi nicht mit sich spaßen ließ.
»Ich habe keine Ahnung, wie die bei all dem Fell überhaupt sehen können«, flüsterte Butts, »aber meine Frau schwört, dass sie es können. Was für ein elender Köter«, fügte er kopfschüttelnd hinzu.
So als hätte er die Beleidigung verstanden, sah Fritzi zur Küche, sprang dann auf und folgte seinem Frauchen aus dem Zimmer.
Lee und Butts schauten sich im Wohnzimmer um. Alles war geblümt – die Couch, der Teppich, die Vorhänge, selbst die Tapete. Dieser Überfluss an Blumenmustern verursachte Lee Kopfweh.
»Meine Güte«, bemerkte Butts, »hübsch eingerichtet, was? Meine Frau würde es lieben.«
Vor Lees geistigem Auge tauchte ein unerfreuliches Bild des Butts’schen Haushalts auf, und er fragte sich, ob es dort Möbel in Plastik gab. Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als Mrs. Riley und ihre Tochter Christine zusammen ins Zimmer kamen. Die Ähnlichkeit zwischen der jungen Frau und ihrer Mutter war bemerkenswert – die gleichen blassen Augen, so hell, dass sie farblos wirkten, der gleiche muskulöse, athletische Körperbau, breitschultrig und
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