Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
besteht, tätig zu werden, und bitten bis dahin um Geduld.« Doch diese Geduld haben die Eltern nicht mehr. Denn inzwischen wissen sie schon mehr.
Bernadette Knecht hat lange über das Angebot der Kirche nachgedacht und sich schließlich entschieden: Sie wird das Gegenschreiben nicht unterzeichnen, ihre Beziehung zu Josef Griese nicht leugnen. Sie will bleiben und sagt das so dem Pfarrer. Deshalb stehen bald darauf die Pfarrsekretärin und eine Dame aus dem Kirchenvorstand mit einem offiziellen Kündigungsschreiben bei Bernadette Knecht vor der Tür. Am 30. Juni 2012 soll sie den Kindergarten verlassen. Kurz darauf trifft sich Bernadette Knecht mit Norbert H. Müller.
6.
Katholische Putzfrau gesucht
Was die Gerichte sagen
Norbert H. Müller ist nicht irgendein Anwalt. Im Herbst 2011 gewann er vor dem Bundesarbeitsgericht ein Verfahren, dessen Ausgang in Kirchenkreisen für Aufregung sorgte. Er hatte einem Düsseldorfer Chefarzt die Stelle an einem katholischen Krankenhaus gerettet, obwohl dieser, wie Bernadette Knecht, gegen seinen kirchlichen Arbeitsvertrag verstoßen hatte.
Der Arzt und seine Ehefrau hatten sich 2005 getrennt. Dann lernte er seine neue Partnerin kennen, mit der er zusammenzog. Als er sie dann 2008 standesamtlich heiratete, kam bald darauf die Kündigung. Auch hier sah die Kirche in der neuen Beziehung, der zweiten Ehe, einen Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre. Auch hier entließ sie deshalb ihren Mitarbeiter.
Der Düsseldorfer Arzt wollte sich das nicht gefallen lassen und klagte. Sein Anwalt, Norbert H. Müller, begleitete ihn dabei durch drei Instanzen und bekam vor dem Bundesarbeitsgericht recht. Denn die Richter stellten fest, dass die katholische Klinik bereits seit mehreren Jahren wusste, dass das Paar zusammenwohnte, ohne dass sie dienstrechtlich etwas unternommen hätte. Es sei daher unverhältnismäßig, ihm erst wegen der erneuten Heirat zu kündigen, begründeten die Richter ihr Urteil vom 8. September 2011. Der Chefarzt durfte bleiben.
Nur wenige Wochen später klingelt in der Kanzlei von Norbert H. Müller in Bochum das Telefon. Der Anruf kommt aus Rauschendorf. Am anderen Ende der Leitung ist Kindergartenvater und Anwaltskollege Peer Jung, der ihm von der Kündigung Bernadette Knechts erzählen und sich mit ihm austauschen will. Sie sind sich schnell einig, dass vor Gericht zumindest eine Chance für die Kindergartenleiterin besteht. Daher reicht Norbert H. Müller für Bernadette Knecht, nachdem sie im Januar 2012 ihre Entlassungspapiere bekommen hat, eine Kündigungsschutzklage ein. Ausgang offen, denn der Fall des Chefarztes aus Düsseldorf war eine Einzelfallentscheidung.
Bislang gibt es in Deutschland kein Gerichtsurteil, das das besondere kirchliche Arbeitsrecht grundsätzlich anzweifelt. Denn die Gerichte stoßen in den Verfahren regelmäßig an eine Grenze, die »Kirchliches Selbstbestimmungsrecht« heißt. Dieses Recht ist in Artikel 140 im Grundgesetz verankert und gilt nicht nur für die christlichen Kirchen, sondern für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland. Das Selbstbestimmungsrecht garantiert ihnen, dass sie ihre Angelegenheiten ohne Einmischung des Staates regeln und ihre Ämter ohne staatliche Mitwirkung besetzen können. Die Idee dahinter ist, die Religionsgemeinschaften vor staatlicher Einflussnahme zu schützen. »Das bedeutet konkret, dass der Staat keine Macht über das Recht, die Verwaltung und die Organisation einer Religionsgemeinschaft haben soll«, erklärt Norbert H. Müller. »Das leitet sich natürlich aus der Geschichte her. Es soll in diesen Bereichen schlicht keine staatliche Aufsicht mehr geben.«
Genau dieses Selbstbestimmungsrecht der Kirche ist aber der Grund, warum für sie das spezielle eigene Arbeitsrecht überhaupt möglich ist. Es erklärt, warum das Betriebsverfassungs- und das Antidiskriminierungsgesetz für die Kirchen Ausnahmen machen.
Obwohl sich der Arbeitsalltag in einem christlichen Krankenhaus nicht von dem einer kommunalen Klinik unterscheidet, gelten unterschiedliche rechtliche Maßstäbe. Noch in der Weimarer Republik war das anders. Damals gab es die Sonderrechte der Kirchen in diesem Umfang nicht, obwohl die Rechtsgrundlage die gleiche war. Denn in Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung, der in Gestalt von Artikel 140 auch heute noch Teil des Grundgesetzes ist, hieß es, dass jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten zwar eigenständig ordnen und verwalten
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